Autorin Iris Wolff hat selbst eine zeitlang in Marbach gelebt. Foto: Avanti

Iris Wolff hat in der Wendelinskapelle ihr neues Buch vorgestellt. Die Autorin hat selbst in Marbach gelebt.

Marbach - Er ist anders, als Romane landläufig aufgebaut sind. „Aber gerade das macht ihn besonders“, kündigte Markus Schneider, Inhaber der Buchhandlung Taube in Marbach, den dritten Roman der Schriftstellerin Iris Wolff an. Am Freitagabend war die Autorin dort zu Gast, um aus „So tun, als ob es regnet“ zu lesen.

„So tun als ob, das tut jeder manchmal in der realen Welt“, begrüßte Wolff die voll besetzte Wendelinskapelle. Es sei eine innere Rückzugsmöglichkeit. „Auch beim Schreiben tut man so als ob, und beim Lesen auch“, erklärte sie weiter. Kurz umriss Wolff ihren 2017 erschienenen Roman. Er besteht aus vier Teilen, die jeder für sich gelesen werden können, aber dennoch einen Bezug zueinander haben. Mit 166 Seiten ist er weitaus kürzer als ihre Romane „Halber Stein“ (2012) und „Leuchtende Schatten“ (2015), die je rund 300 Seiten umfassen.

„So tun, als ob es regnet“ beleuchtet vier Generationen des 20. Jahrhunderts und schlägt Brücken über vier Ländergrenzen hinweg. Dabei beschreibt Wolff, wie historische Ereignisse die Lebenswege der Menschen prägen. In ihren fiktiven Geschichten kommt dabei durchaus die Realität zu Wort. „Ich schöpfe viel aus einer eigenen großen Familie“, verriet die Autorin im Laufe des Abends. Es kommen auch Orte im Roman vor, beispielsweise das rumänische Hermannstadt, die ihr im eigenen Leben begegnet sind. In Hermannstadt wurde Wolff 1977 geboren. Bevor sie ihr jüngstes Werk aufschlug, erklärte sie ihre Beziehung zu Marbach. „Ich war hier fünf Jahre als Heranwachsende und neuneinhalb Jahre im Literaturarchiv tätig“, so Wolff. Das sei nach ihrem Studium in Marburg gewesen.

„Er litt an Schlaflosigkeit“, begann Wolff in feiner Stimmlage ihren Auszug. Das sagt Henriettes Großvater, einer der Schlaflosen, die sich nachts Geschichten erzählen. Und die beeindrucken das Mädchen, welches sich heimlich in die Runde mischt.

So lernen die Zuhörer die Schwestern der Protagonisten kennen und wie Wolff immer wieder tiefsinnig zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt. Zu den Zitaten erklärt die Autorin: „Es ist ein spannendes Experiment, es umspannt ein ganzes Menschenleben.“ Dazu kämen geschichtliche Ereignisse und die Gefüge innerhalb der Familie. Im zweiten Teil der Lesung, ein Auszug aus dem dritten Teil des Romans, tauchte Wolff in das Umfeld von Henriettes Sohn Viko ein. Die Mondlandung kommt ebenso vor, wie ein Trip mit dem Trabbi ans Schwarze Meer. Während der Zitate spürte man, wie sich Wolff den Themen Heimat, Sprache und Geschichte philosophisch annimmt. „Was prägt den Menschen und warum ist er, wie er ist?“, scheint oft im Hintergrund zu stehen. Trotz der Tiefe fließen die Sätze leicht und durchaus auch witzig. „Das Krumme schmeckt man nicht“, lässt Wolff beispielsweise ihre Figur über die Wertung einer Gurke sagen.

Die Besonderheit einer Lesung, dass Bücher dadurch ein Gesicht kriegen und auch eine Stimme, konnten die Besucher auch nach dem Event noch genießen. Monika Schreiber hatte ihre Galerie im Obergeschoss geöffnet, wo man bei Wein, Wasser und Brot ins Gespräch kam.