Die neue geplante Erweiterungsfläche ist blau dargestellt. Foto:  

Der Rielingshäuser Steinbruch soll erweitert werden.

Marbach-Rielingshausen - Noch ist offen, wie das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart eine Erweiterung des Steinbruchs in Rielingshausen durch die Firma Klöpfer in das Landschaftsschutzgebiet Unteres Murrtal bewertet. „Uns liegen derzeit keine detaillierten Planungen und Unterlagen vor“, teilt Saskia Becker, Sprecherin des RP, auf Anfrage unserer Zeitung mit. Der Verband Region Stuttgart (VRS) hatte eine Teilfortschreibung des Regionalplans, die für Frühjahr vorgesehen war, verschoben und mit einer Entscheidung des RP nicht vor dem Sommer gerechnet (wir berichteten).

Die Firma Klöpfer hatte nach massivem Widerstand in Rielingshausen im April bekannt gegeben, dass sie mit dem Abbau auf keinen Fall näher als bis zu dem bestehenden Abstand von 350 Meter an den Marbacher Teilort heranrücken will. Sie beabsichtigt nun, fast parallel zum Ort entlang in Richtung Südosten ihr Gebiet zu erweitern. Das Problem: Ein Teil der Fläche von zehn Hektar würde in das Landschaftsschutzgebiet hineinragen. Die Erweiterung ist aus Sicht des Betriebs notwendig, weil die bisher bis 2032 vorgesehene Bestandsfläche wegen der aktuell hohen Nachfrage an Sand und anderem Baumaterial voraussichtlich nur noch bis 2024 ausreicht. „Mineralische Rohstoffe müsste dann aus dem Rheintal herangekarrt werden – mit dem entsprechenden Verkehrsaufkommen“, erklärt Ingo Sombrutzki, Öffentlichkeitsarbeiter von Klöpfer. Eine Erweiterung würde den Abbau nach 2024 mit geschätzten sieben Millionen Tonnen Kalkstein für etwa 13 bis 15 weitere Jahre sichern.

Klöpfer selbst sehe sich nicht am Zug, was die Aufhebung von Teilen des 1468 Hektar großen Landschaftsschutzgebietes angeht. „Es gibt dazu keinen Antrag von uns“, betont Ingo Sombrutzki. Es sei eine öffentlich-rechtliche Aufgabe, das Gebiet zur Rohstoffsicherung im Regionalplan zu definieren. Erst dann könne Klöpfer die Abbaugenehmigung beantragen, und es gebe ein immissionsschutzrechtliches Verfahren. „Es ist wie bei einem privaten Hausbau – da muss es auch erst einen Bebauungsplan geben, der die Rahmenbedingungen klärt“, sagt Sombrutzki.

Die Firma Klöpfer hatte zuletzt im Jahr 2011 ihre Abbaufläche durch einen Eingriff in ein Landschaftsschutzgebiet weiter westlich vergrößert. Das ging damals geräuschlos über die Bühne. „Wir haben für einen Ausgleich gesorgt und betreiben heute noch das Monitoring für die Biotope“, sagt Ingo Sombrutzki. Im Gegensatz zu der Bürgerinitiative halte Klöpfer die Erschütterungen durch die Sprengungen für absolut im Rahmen liegend. „Wir haben in 90 Prozent der Sprengungen erreicht, dass wir nur höchstens zehn Prozent des erlaubten Grenzwerts erreichen“, argumentiert Sombrutzki. „Wir bleiben also weit darunter.“ In einem Gutachten habe man geklärt, dass die Immissionen auch bei einer Erweiterung ins Landschaftsschutzgebiet erheblich unter den Grenzwerten bleiben würden.

Die Bürgerinitiative gegen die Steinbrucherweiterung in Rielingshausen hatte gegen die geplante Norderweiterung mobil gemacht. Jetzt lehnt sie auch die von Klöpfer beabsichtigte veränderte Erweiterung in Richtung des Landschaftsschutzgebiets ab. „Wir boykottieren nicht alles, aber der neue Vorschlag stellt keinen Kompromiss dar“, sagt Stefan Hess von der Bürgerinitiative. Wenn der Zipfel des Gebiets an den Südosten der bisherigen Erweiterungsfläche angehängt werde, entwickele sich der Abbau aber parallel zum Ort weiter. Der Staub und die Erschütterungen in dem 2600-Einwohner-Dorf hätten bereits bei der aktuell entfernten Bebauung eine unzumutbare Dimension erreicht. „Das ist definitiv eine wahnsinnige Beeinträchtigung, die man bei der Genehmigung der vorigen Erweiterung unterschätzt hat.“ So hätten sich Landwirte beschwert, dass vor lauter Staub manche Felder nicht mehr benutzbar seien. Komme die Erweiterung, sei das Landschaftsschutzgebiet für Rielingshäuser nur noch von der befahrenen Straße nach Kirchberg aus erreichbar. Die Bürgerinitiative will die aktuelle Lage bei einem Gespräch mit Thomas Kiwitt, dem Technischen Direktor des Verband Region Stuttgart (VRS), erörtern. Nach Rielingshausen kommen will die Regionalfraktion der Freien Wähler.

Nicht generell gegen eine Steinbruch-Erweiterung ist Eberhard Ruoff, Ortsvorsteher von Rielingshausen. „Ich kann nicht ins Blaue hinein alles ablehnen oder befürworten“, sagt der CDU-Stadtrat, der das Ergebnis der RP-Fachbehörde zum Landschaftsschutzgebiet abwarten will. Er erinnert daran, dass der Ball nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums bei den Regionalräten liegt. „Wir haben keinen Einfluss, wer was prüft“, sagt Ruoff im Hinblick darauf, dass letztlich der VRS im Regionalplan hoheitlich die Stätten der Rohstoffgewinnung bestimmt.

Die Auswahl an Standorten für Steinbrüche im Großraum Stuttgart sei begrenzt, weiß der VRS-Chefplaner Thomas Kiwitt. In den Ballungsräumen komme keine Hurra-Stimmung auf, wenn der Abbau erweitert werden solle. „Landschaftsschutzgebiete haben eine besondere Sensibilität“, sagt Kiwitt, der einer Bewertung durch das Regierungspräsidium nicht vorgreifen wolle. „Es ist aber keine leichte Entscheidung.“ Dennoch müsse man Landschaftsschutzgebiete überprüfen. „Rohstoffe sind außerordentlich teuer geworden“, sagt er. Es sei sinnvoller, Standorte zu erhalten, als neue aufzureißen.

Was Rielingshausen angeht, müsse man in zwei Schritten denken. „Zunächst muss die Fachbehörde über das Landschaftsschutzgebiet entscheiden – sagt sie ja, brauchen wir weitere Verfahren und eine breite Beteiligung der Bürger, und am Ende einen Beschluss der Regionalversammlung.“ Dabei sei die Sorge der Einwohner ernst zu nehmen, „wenn sie befürchten, durch Staub und Emissionen belastet zu werden“. Kiwitt verspricht ein gründliches Verfahren. „Wir brauchen eine tragfähige Kompromisslösung.“

Aus Sicht der Stadt Marbach steht außer Frage, „dass der Schutz der Wohnbebauung und der Bürger Vorrang hat“, teilte der Erste Beigeordnete Gerhard Heim auf Anfrage mit. Auch sei das geplante Neubaugebiet am Südrand des Ortes gesetzt, da es seit 30  Jahren im Flächennutzungsplan stehe und dort Bestandsschutz habe. Ob die Erweiterung ins Landschaftsschutzgebiet etwas bringe, könne er vor einer Entscheidung des RP nicht sagen. „Es macht wenig Sinn, über ungelegte Eier zu reden.“ Sollte es zu einem Antrag von Klöpfer kommen, werde sich die Stadt positionieren. Aufschluss über das tatsächliche Ausmaß der Erschütterungen und der Staubentwicklung ergäben geologische Messungen im immissionsschutzrechtlichen Verfahren.

Bevor es zu diesem Verfahren kommt, muss aber die Landschaftsschutzgebiet-Verordnung geändert werden – und dies müsse Klöpfer als Vorhabenträger beantragen, teilt das Regierungspräsidium Stuttgart mit. „Sonst würde der Genehmigung eine Norm entgegenstehen.“