Liv Kristine hat ihre Zuversicht wiedergewonnen. Foto: Oliver von Schaewen

Die Sängerin Liv Kristine hat eine schwere Zeit hinter sich. Die Trennung von ihrem Mann und der Band Leaves’ Eyes ist zwei Jahre her – doch sie hat neuen Mut geschöpft.

Marbach-Rielingshausen - Die Zeit kann alle Wunden heilen, heißt es. Und vielleicht ist Ostern eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, was wieder heil geworden ist. Liv Kristine sitzt in ihrer kleinen gemütlichen Küche in Rielingshausen und atmet tief durch. Einen Tag zuvor ist sie von einem Konzert wieder zurückgekommen. Aus den Auftritten zieht sie Energie, und bald schon erzählt sie von dem Privatkonzert für geladene Gäste in Tel Aviv, bei dem eine israelische Rockband ihr neues Album präsentierte und die norwegische Botschaft Liv Kristine das Kommen ermöglichte.

Für die Sängerin schloss sich bei dem Auftritt ein Kreis. Zwei Jahre zuvor hatte sie mit ihrer Band Leaves‘ Eyes an derselben Stelle gespielt. „Es war eines meiner besten Konzerte – aber ich wusste damals nicht, dass es mein letztes mit der Band sein würde.“

Seitdem ist viel passiert. Die private und berufliche Trennung von Partner und Bandmitglied Alex Krull löste in den Metal- und Gothic-Kreisen Spekulationen aus, ob es sich um einen Rausschmiss gehandelt habe. So mancher Artikel in den einschlägigen Foren tat weh. „Es kostete mich Kraft, mich neu zu organisieren, aber ich bin Menschen begegnet, die mir geholfen haben“, sagt die Sängerin, die seit den 1990er-Jahren mit Bands wie Theatre of Tragedy, Atrocity oder eben Leaves‘ Eyes mit knallhartem Rock und dem augenfälligen „Beauty-and-the-beast“-Konzept die Konzerthallen füllte, aber auch mit eher ruhigen, jazzigen Arrangements solo als Liv Kristine auftrat. Über die Trennung von ihrem Mann sei sie hinweg: „Es gibt Prüfungen im Leben – ich möchte nach vorne blicken und ein neues Kapitel in meinem Lebensbuch schreiben.“ Liv, das heißt Leben, sagt die 42-Jährige, und das bedeute, das Leben als Geschenk bewusst positiv und vom Schönen her zu gestalten.

Zwei Jahre sind seit dem großen Knall vergangen und Liv Kristine spürt, dass die zwischenzeitlichen Veränderungen auch ihr Gutes haben. „Es gibt eine Heimat, die erschaffst du in dir selbst“, erzählt sie und ist sich sicher, mit ihren inneren Werten jetzt mehr denn je im Einklang zu stehen. Wird es äußere Veränderungen geben? Die ersten 20 Jahre habe sie in Norwegen verbracht, die nächsten 20 Jahre in Deutschland. Liv Kristine glaubt, mit ihrer Familie über kurz oder lang wieder nach Norwegen zu ziehen. Sie habe viel über sich und ihre Werte gelernt. „Es ist schön, wenn man aufgeräumt hat und jemanden hat, der das widerspiegelt“, sagt sie zu ihrer neuen Beziehung, die im Dezember mit der geplanten Heirat im Land der Wikinger besiegelt werden soll. Ein bewusster Schritt, der zu ihrem neuen Hobby, dem Klettern, passe. „Auch da geht man keinen Schritt zufällig.“

Richtig aufgehoben fühlt sich Liv Kristine beruflich zudem in der Paulinenpflege in Winnenden. Die Künstlerin, die in Stuttgart Sprachen studierte, betreut dort behinderte Menschen.

Die musikalisch wegweisenden Entdeckungen waren für Liv Kristine nicht nur ihre Soloauftritte bei Veranstaltern, die ihr den Rücken stärkten, sondern vor allem der Einstieg bei der Band Midnattsol ihrer Schwester Carmen. „Es war eine wunderbare Erfahrung“, blickt die Musikerin auf das Konzert zurück, bei dem die sieben Jahre jüngere Schwester sie im Oktober des Krisenjahres 2016 bat, im belgischen Wieze mitzusingen. „Ich hatte da wirklich das Gefühl, loslassen zu können.“ Mit Midnattsol veröffentlicht sie Ende Mai das Album „The Aftermath“. Ein Solo-Album plant die Sängerin mit der klaren, nordischen Stimme ebenfalls. Ihren Fans danke sie für die Treue – viele waren kurz vor Weihnachten nach Nagold zum Konzert gekommen. Inzwischen könne sie auch die alten Lieder von Leaves‘ Eyes wieder mit Freude singen.