Die Natur erobert sich die Schienen zurück, die aber vielleicht irgendwann einem Radweg weichen müssen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Bahn braucht alte Trasse als Ausrollfläche. Die Marbacher Stadträte wollen bei dem Thema aber am Ball bleiben.

Marbach - Zwischen Häldenmühle und dem Marbacher Gewerbegebiet sind seit dem vergangenen Jahr Pedaleure auf einer Trasse unterwegs, die einst von Loks und Waggons in Anspruch genommen wurde. Warum also nicht noch einen Schritt weitergehen und auch auf der alten Zug-Verbindung zwischen der Kläranlage und dem Bahnhof Drahtesel rollen lassen, dachte sich der SPD-Mann Dr. Dieter Zagel und regte vor einiger Zeit an, die Umsetzbarkeit dieser Idee zu prüfen. Das ist inzwischen erfolgt. Mit einem ernüchternden Ergebnis. Die Bahn hat auf Nachfrage der Kommune signalisiert, dass sie die Gleise aus Sicherheitsgründen und zur Wartung benötige, berichtete der Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling am Donnerstag im Ausschuss für Umwelt und Technik.

Das muss jedoch noch nicht das letzte Wort sein. Die Stadt will sich nämlich um den Verband Region Stuttgart als Verbündeten bemühen, um dem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen. „Ich glaube zwar nicht, dass da viel Bewegung sein wird“, räumte Seiberling ein. „Wir versuchen es aber noch mal“, kündigte er an. Es stehe außer Frage, dass ein Radweg an dieser Stelle „eine tolle Geschichte wäre“.

Allerdings machte die Bahn in ihrer Stellungnahme auch deutlich, aus welchen Gründen sie einer Umwidmung kritisch gegenübersteht. Der besagte Gleisabschnitt sei unverzichtbar, „da er als Durchrutschweg aus Richtung Erdmannhausen frei bleiben muss“. Vereinfacht ausgedrückt bedeute das, dass die Gleise als Puffer für Züge aus Richtung Backnang dienen, die mit zu viel Schwung in den Bahnhof einfahren, erläuterte Seiberling. Ohne die Ausrollzone würden nämlich Bahnen, die aus irgendwelchen Gründen über den vorgesehenen Halt hinausrauschen, über eine Weiche aufs andere Gleis rollen – wo im schlimmsten Fall ein Zug aus Ludwigsburg entgegenkommt. Darüber hinaus werde das Gleis aber auch zum Abstellen von Reparatur- und Wartungszügen benötigt.

„Die Argumente leuchten ein“, meinte Hendrik Lüdke von Puls. Der Wegfall des Gleises würde auch den ÖPNV schwächen, weil dann aus Sicherheitserwägungen keine zwei Bahnen gleichzeitig in den Marbacher Bahnhof einfahren dürften. Das beschwöre Wartezeiten herauf.

Martin Mistele von den Freien Wählern befürwortete es indes, in der Sache nicht klein beizugeben. Man müsse natürlich ein dickes Brett bohren. Ihm gefalle aber die Idee, die Region einzuspannen. „Der Stein ist noch nicht unwiederbringlich ganz unten“, warb auch Dieter Zagel dafür, den Fall nicht zu den Akten zu legen.

Der Anstoß, den Verband aus Stuttgart als Unterstützer zu gewinnen und in der Angelegenheit nicht locker zu lassen, kam von Jochen Biesinger von der CDU. Der Bahn-Kenner konnte zwar nicht an der Sitzung teilnehmen, hatte sich am Vorabend aber per Mail an die Ausschussmitglieder in die Diskussion eingeklinkt. Biesinger hatte sich bei Experten erkundigt, die ihm versicherten, dass die Restriktionen der Bahn keine K.o.-Kriterien sein müssten. Das Gleis am Bahnsteig 2 werde ja immer nur dann genutzt, „wenn im Bahnhof Marbach eine Zugkreuzung stattfindet“. Somit treffe eine einfahrende Bahn hier immer auf ein „rotes, Halt zeigendes Signal. Somit geht es nur noch um die Höhe der Einfahrgeschwindigkeit und deren Überwachung: Diese müsste gegenüber heute wahrscheinlich reduziert und technisch – durch Magnete, welche den Zug bei zu hoher Geschwindigkeit zwangsbremsen – überwacht werden“, erklärt Biesinger. Dann könnte auf den Durchrutschweg verzichtet werden. Das wäre auch kein Präzedenzfall, wie der CDU-Mann auf Nachfrage betont. Im Bahnhof Renningen sei ein solches System bereits etabliert. Kosten würde das offenbar auch nicht die Welt, sondern laut Biesinger einen niedrigen fünfstelligen Betrag. „Ein Bahnvertreter hat bestätigt, dass das wohl funktionieren könnte, aber durchaus auch mit Einschränkungen bei der Bahn verbunden sei“, sagte Andreas Seiberling in der Sitzung. Und das Problem mit den Wartungszügen bestehe weiter.