Das Festival des Lebens findet noch bis 5. August in der Steinheimer Blankensteinhalle statt. Foto: Werner Kuhnle

Fremde, die einem im Supermarkt sehr nahe kommen: Eine ungewöhnliche Begegnung in Marbach.

Marbach - Katja kannte ich bis eben noch nicht. Sie steht an der Supermarktkasse im Rewe an der Grabenstraße vor mir, hat spontan meinen Salat und Joghurt mitbezahlt, als sie mein T-Shirt sah: „Love one another“ steht darauf, also „habt Euch lieb“. Das sprach sie an, darauf spricht sie mich an. „Du kannst den Unterschied machen in dieser Welt“, sagt sie, und: „es ist wichtig, einander zu lieben“. Darauf gibt es keinen Widerspruch von mir. Ich plaudere etwas mit Katja, sie stammt aus dem Schweizer Wallis, spricht im alemannischen Sprachrhythmus. Freundlich klingt das für mich, heiter. Katja wird von zwei Mädchen begleitet. Nachdem sie für mich bezahlt hat, soll ich jemandem heute ebenfalls etwas „Liebes“ tun, sagt Katja.Frank Wewoda Dann fragt sie plötzlich: „Hast Du einen Wunsch?“ Die drei Mädchen haben mich inzwischen umringt hinter der Kasse. „Ich möchte dich segnen“, sagt Katja. Ich überlege lange, druckse herum. Schließlich sage ich: „Liebe und Job an einem Ort zu finden.“ Daraufhin legen die drei Hände auf meine Schultern und Brust, das ist mir jetzt ein bisschen viel. Sie sagen ein Gebet auf. Dann überreichen sie mir eine Broschüre vom Festival des Lebens, das noch bis 5. August in der Steinheimer Blankensteinhalle stattfindet. „Das ist etwas für dich, glaube ich“, sagt eines der Mädchen. Ich fühle mich halb überrumpelt, halb überrascht von so viel Nähe an einem sonst meist anonymen Ort, nicht direkt unangenehm. Viele Freizeitaktivitäten beinhaltet das Programm des Veranstalters „Soul Devotion“, aber auch Workshops wie „Lebensberufung“. In der Beschreibung heißt es, in erster Linie komme es darauf an, nahe bei Jesus zu sein als Kern und Ursprungsberufung. In Großbottwar gibt es in der Zeit des Festivals sogar einen Gebetsraum, in dem Menschen „rund um die Uhr an 24 Stunden für Gott singen, in Fürbitte eintreten, einfach still für sich beten oder die Bibel lesen“, so die Beschreibung. Das Festival und die Begegnung im Supermarkt erinnern mich an Mitschüler, die pietistischen oder charismatischen christlichen Gruppen angehörten. Einmal gab es in der Marbacher Stadthalle irgendwann Mitte der 1990er-Jahre ein inhaltlich ähnliches Festival wie dieses „Festival des Lebens“. Kleine Gruppen, den drei Mädchen im Rewe sehr ähnlich, kamen ans FSG, durften bei einigen Lehrern im Religionsunterricht für ihre Veranstaltung werben. Wie damals beeindruckt mich auch heute die zielstrebige, tiefe Überzeugung, die mir gegenübertritt. Doch wie damals zieht es mich auch heute nicht dorthin. Vielleicht das nächste Mal.