Marta Maurer-Gaus ist Ansprechpartner für traumatisierte Menschen, die Hilfe in Deutschland brauchen. Foto: Werner Kuhnle

Eine junge Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan hofft, eine Wohnung zu finden. Die Diakonische Bezirksstelle in Marbach berät sie und hilft bei der Suche.

Marbach - Es ist warm in der psychosozialen Beratungsstelle der Diakonie in der Schillerstraße. Geschäftsführer Rainer Bauer und Marta Maurer-Gaus vom Projekt Chance haben zwei besondere Gäste: eine 28 Jahre junge Mutter und ihren zehn Monate alten Jungen. Für die beiden haben sie extra eingeheizt, wie sie sagen. Es ist bereits der zweite Termin und der Junge spielt mit Spielsachen, die er aus einer blauen Kiste fischt.

Seine Mutter schaut traurig aus, doch immer, wenn ihr Sohn auf ihren Schoß möchte, schenkt sie ihm ein Lächeln. Er ist ihre Motivation in einer für sie schweren Zeit. Traumatisiert von der Flucht kam sie vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland. Mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt sie nun seit Juni in Marbach in einem Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft. Es geht ihr gesundheitlich nicht gut und sie will sich mit ein paar Worten, die sie in einem Deutschkurs vor der Geburt des Sohnes gelernt hat, erklären. Doch viel zu erklären gibt es nicht, die Dinge liegen auf der Hand.

Ein beengter Wohnraum mit Gemeinschaftsbad und -küche, dazu die stetige Geräuschkulisse in einem Wohnheim sind nichts für eine junge Mutter mit einem aufgeweckten Kleinkind. Im Sommer war sie viel draußen, lässt sie die Diakonie-Mitarbeiter wissen, nun fürchte sie sich vor dem Winter. Die Fragen stehen im Raum und obwohl die Kommunikation schwierig ist, kommen sie an: Wie soll es weiter gehen, mit wem kann sie das Erlebte aufarbeiten oder woher soll sie Rat zum Stillen des Kindes nehmen? Einen Arzt habe sie auf die Stillprobleme angesprochen, er habe ihr geantwortet, sie solle Medikamente zum Abstillen nehmen, dann habe sie das Problem nicht mehr. Sie hat keinen Anschluss, keine Heimat, keinen Platz.

Doch immer wenn ihr kleiner Sohn wieder putzmunter durch den Raum krabbelt, scheint sie Kraft zu schöpfen und spricht von dem, was sie sich wünscht: Eine kleine Wohnung für sie als Familie wäre schön. Eine Infrastruktur sollte gegeben sein, da sie ärztliche Hilfe benötigt und gerne Anschluss finden würde. Auch eine finanzielle Frage sei es, erklärt Rainer Bauer, wenn jede Fahrt Geld kosten würde.

Eine Integrationskraft der Stadt hat den Kontakt zur Diakonie hergestellt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Stellen, die für die junge Flüchtlingsfamilie eine Stütze sein könnte, gibt es nicht. „Mit unserem Projekt ‚Chance‘ möchten wir eine Anlaufstelle für traumatisierte Flüchtlinge sein“, sagt Marta Maurer-Gaus, wohl wissend, dass eine Traumatisierung bei Flüchtlingen meistens gegeben ist. Sie und ihr Kollege wollen auf Sicht arbeiten und der Familie mit kleinen Schritten helfen, endlich hier anzukommen. Sie rufen dazu auf, zu prüfen, ob ein Marbacher, Ludwigsburger, Stuttgarter oder Heilbronner eine Wohnung vermieten kann. Die Mieteinnahmen seien über öffentliche Stellen gedeckt.

In ihrer früheren Heimat Afghanistan lebte die Frau bei ihrem Mann und dessen Eltern. Sie sei Schneiderin, erzählt sie, er habe als Koch in einem Krankenhaus gearbeitet. Hier fühlt sie sich nun am Ende ihrer Kräfte, dazu verlangt ihr die Pflege ihres Sohnes viel ab, wie das bei einem Kleinkind so ist. Ihr Mann besucht halbtags einen Deutschkurs in Marbach.

Das Hinweisblatt „Chance“ liegt auf dem Tisch im Beratungsraum und es zeigt eine Hand mit einem kleinen Pflänzchen. Die junge Frau hat mit ihrem Mut, sich zu öffnen und Hilfe zu suchen, einen Samen gesetzt, die Integrationskraft und die Diakonie-Mitarbeiter haben ihn zu einem Pflänzchen entwickelt. Nun braucht es die Kraft der Gesellschaft, um es weiter wachsen zu lassen. Eine Wohnung wäre die Basis, damit alle weiteren Maßnahmen Früchte tragen könnten.