Der Protagonist lebt in einem typischen Junggesellenhaushalt. Foto: Werner Kuhnle

Mit seinem szenischen Vaudeville-Chansonabend trifft Fabian Egli exakt ins Schwarze.

Marbach - Es ist ein Junggesellenhaushalt, der bildhaft auf der Bühne des Marbacher Schlosskellers spricht: verstreut am Boden liegende Kleidungsstücke, eine sparsam, aber stimmungsvoll möblierte Kammer und das Radio auf dem Tisch. Der alte Rundfunk-Empfänger ist nicht nur Ausdruck dessen, womit Untermieter Hans Pfeifer seinen Lebensunterhalt verdient; er bringt auch die Klänge der Zwanziger in die gute Stube, die für rund zwei Stunden Dreh- und Angelpunkt einer hinreißenden Story ist, die Fabian Egli, alias Hans Pfeifer, mit launigem Faden gesponnen hat.

Seine Angebetete und häufig Zitierte, Ruth, ist zwar nie zu sehen, doch tritt sie so plastisch vor das Auge des Zuschauers, als stünde sie bei der entzückenden Inszenierung im Stile Vaudevilles – ein Theatergenre mit Gesang und Instrumentalbegleitung - direkt neben ihm. Fabian Eglis selbstgestrickter Chansonabend „Heut gehen wir morgen erst ins Bett“, der sich ausdrucksstark in das vierteilige Angebot der ersten Marbacher Theaterfestspiele einfügt, hat am Donnerstag abermals die Festspielbesucher fasziniert. Der als Revue-Spezialist geltende Patrick Rohbeck stand Egli dabei künstlerisch als auch in der Co-Regie zur Seite. Gemeinsam haben sie ein ausgetüfteltes Programm erhabener Güte auf die Beine gestellt, das vom Publikum bestens angenommen wurde und dessen Reaktion den Künstler selbst stark berührt hat. „Zwei Jahre habe ich an diesem Ding gearbeitet“, verrät der glückliche Egli am Schluss seinen Zuschauern. Er verbindet damit den Dank an die Intendanten Philipp Wolpert und Tobias Frühauf, die sich unter dem Theaterlabel „Tacheles und Tarantismus“ formiert und die in Kooperation mit dem Verein Südlich vom Ochsen Theaterfestspiele arrangiert haben, die über die Grenzen Marbachs hinaus aufhorchen lassen dürften.

Zähne putzend und im Unterwäsche-Look erscheint der Schauspieler, der schon in den Aufführungen von Emilia Galotti und dem „Kleinen Prinzen“ von sich Reden gemacht hat. Doch mit dem Solo-Stück, das als „Hommage an die wilden Zwanziger in Berlin“ kreiert wurde, zeigt Egli vor allem eines: viel Stimme. Und die ist samtig-satt, ausdrucksstark und zu schwärmerischen Gefühlstiraden fähig. Denn das Objekt seiner Begierde, Ruth, wird nicht nur wortreich in die Achterbahn seiner Gefühle aufgenommen, sie dient auch als emotionaler roter Faden, auf dem der studierte Bariton musikalisch durch seine Show hüpft. So wird das „schönste Mädchen, das ich je gesehen habe“, mit Chansons und Evergreens beehrt, die heutzutage nur noch selten ins Ohr dringen: „Jeder, der sie kennt, Fräulein“, „Wenn man verliebt ist, kann man nicht warten“ oder auch „Mein Hund beißt jede hübsche Frau ins Bein“. Bei all dem ist Christoph-Johannes Eichhorn gefragt: der Pianist ist kongenialer Partner Eglis und bestreitet in Vollendung seinen Part auf dem Klavier, wo er unermüdlich die Tasten betätigt.

Dabei muss man dem künstlerisch universellen Egli hoch anrechnen, dass sein Solodebüt keine schwulstige, schmalztriefende Bühnenerfahrung ist, sondern ein durch witzige Akzente und künstlerische Kniffe angereicherter Augen- und Ohrenschmaus. So unterrichten etwa die kessen, eingeblendeten Zeichnungen von Sarah Vignon die Zuschauer immer dann über den Fortgang des Geschehens, wenn Hans Pfeifer gerade mal das Zimmer verlässt. Eine Stimme aus dem Off rezitiert pointierte Texte und Egli selbst singt, tanzt mit einem Badetuch und plaudert zielgerichtet charmant: etwa über die Vermieterin, den Zimmer-Nachbarn, die Krawattenmode oder die Gepflogenheiten bei der Brautwerbung. Und er sinniert selbstkritisch über Fettpölsterchen, seine finanzielle Notlage oder die Überfürsorge der Mutter und baut so einen glaubhaft-mitreißenden Erzählrahmen auf, der den Besucher komplett ins Geschehen wirft. Denn Egli zeigt dabei eine Vielfalt an Launen: er ist euphorisch und bewegt im Liebestaumel, kurzerhand frustriert und völlig ernüchtert oder er zeigt Gefühle der Wut und des Neides auf die vermeintlich erfolgreichere Konkurrenz bei der Brautwerbung. Das lässt keine Sekunde Langeweile aufkommen und macht einen als Zuschauer zu keinem Zeitpunkt müde, das beschwingte Treiben auf der Bühne zu verfolgen.