Rebekka Wurst und Raik Singer sind schon auf Betriebstemperatur. Foto: Werner Kuhnle

Erfahrene und junge Wilde können bei den Proben der Theaterfestspiele voneinander lernen.

Marbach - Noch haben sie nicht allzu viele Theater-Proben gemeinsam erlebt. Doch schon jetzt sind Raik Singer und Rebekka Wurst auf Betriebstemperatur. Beide schätzen das kollegiale Miteinander sehr. An dieser Stelle ist zu betonen, dass Singer ein erfahrener Profidarsteller ist, der seinen Beruf seit 28 Jahren ausübt. Rebekka Wurst dagegen, die den Fuchs, die Rose und zwei Schafe in Saint-Exupérys märchenhafter Erzählung verkörpert – ist noch ohne klassische Schauspielausbildung. Bringt das vielleicht Akzeptanzprobleme? „Keineswegs“, wie Raik Singer im Interview ausführt. Ihm gefalle die Frische und die positive Form von Naivität, die die Newcomer mitbringen – stellvertretend für diese wird hier Rebekka Wurst genannt – sehr. „Da ist noch keine große Abgebrühtheit, nichts Festgelegtes“, argumentiert der Schauspieler, der erfahren hat, dass einige „Kollegen am Stadttheater durchaus festgefahren sind“. Davon nimmt der Experte auch sich selbst nicht aus, wenn er bewundernd zugibt: „Herrlich zu sehen, wie das Mädchen den ganzen Scheiß an Selbstkontrolle fallen lässt und sich voll ins Geschehen reinschmeißt.“ Singer zeigt sich angetan von dem Auftreten der jungen Frau, die zwar „Respekt, aber keinerlei Berührungsängste zeigt“.

Ganz so entspannt sah es im Herzen der Jungschauspielerin anfangs wohl nicht aus: „Ich beneide den erfahrenen Kollegen dafür, mit welcher Klarheit er auf der Bühne steht und stets weiß, wie er was ausdrücken kann“, sagt die Philosophiestudentin im Gespräch und konkretisiert: „Es ist einfach faszinierend, wie routiniert und wirksam er Körpersprache und Stimme einsetzt“. Doch Rebekka Wurst hat schnell erkannt, dass etwaige Zweifel unbegründet sind. Sie weiß nun, dass Spieler wie sie, den Routine-Alltag eines Profis mit Frische beleben können. Verblüfft war die Mimin allerdings, als Raik Singer gleich zur ersten Probe mit Kostüm erschienen war. Auch darin hat die junge Frau Unterschiede erkannt.

Raik Singer gehe mit klaren Prinzipien an die Arbeit und sei gewohnt, nicht nur die Kostüme, sondern auch Materialmappe und anderes „häppchengerecht vorgelegt zu bekommen“, erklärt er dagegen. Was das angeht, habe ihn die Zusammenarbeit mit den Bühnen-Neulingen „in einen Lernprozess gebracht“. „Ich sehe diese wohltuende Unverbrauchtheit, den frischen Willen und den Elan, den ich hier wahrnehme, als angenehmen Effekt an. Denn ich begreife, dass ich als Künstler wieder mehr in die kreative Spontaneität gehen kann. Wir Profis sind an einem Punkt angelangt, an dem wir auch wieder etwas zurückrudern können. Rebekka denkt nicht ständig darüber nach, wie ihre Wirkung ist oder was der Körper gerade macht. Sie macht einfach.“ Und dieser Aspekt des lustbetonten Ausprobierens wird bei den Proben mit Regisseurin Leah Wewoda, die von Assistentin Magdalena Kolar unterstützt wird, geradezu kultiviert. Sich „körperlich voll reinzuschmeißen“ und nach Herzenslust Szenen auszuprobieren, ist ganz nach ihrem Gusto. Kein kopfbetontes Steuern, sondern Sequenzen, die aus dem Spielimpuls Einzelner heraus entstehen, bestimmen deshalb die Vorgehensweise bei den Proben. „Das könnte man in der Theorie nie so anlegen“, staunt Wewoda, die es als Aufgabe der Regie sieht, die als brauchbar identifizierten Puzzleteile später in ein Ganzes einzufügen. Magdalena Kolar hilft ihr, indem sie die spontan entstandenen Bühnen-Ergebnisse festhält und so aufschreibt, dass die Gruppe auch später noch Zugriff auf die vielen Ideen hat.

„Die Besonderheit dieses Probenprozesses ist, das alles auf ein Niveau zu bringen, so dass man die Idee jederzeit wiederholen kann“, betont Raik Singer, der nicht will, dass „das Ausprobieren zur pausenlosen Überraschung werde“. Jung-Schauspielerin Rebekka Wurst hat es mit einem kritischen Geist zu tun. Das drückt sich etwa auch darin aus: „Die Bedingungen, die wir im alten Kino beim Proben vorfinden, sind optimierungsbedürftig. Gerade weil wir uns körperlich voll hineinschmeißen, ist die Gefahr, sich zu verletzen, bei den gefühlten Minusgraden recht hoch. Ein paar Heizstrahler würden da schon helfen“, meint Raik Singer, dessen Textbuch bei der ersten Probe zudem pitschnass wurde, weil es durchs Dach geregnet hatte.

Die Theaterfestpiele und die Serie

Das Theaterfestival findet von Donnerstag, 28. Juni, bis Sonntag, 22. Juli, statt. Gespielt wird auf dem Burgplatz und im Schlosskeller. Vier Stücke werden insgesamt gezeigt. Karten gibt es online auf www.reservix.de. Reservix-Vorverkaufsstellen sind in Marbach: Schilleria, Markstraße 15, Beran, Marktstraße 32, und Euli-Service in Rielingshausen. Über die Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal sind auch Pauschalarrangements mit Ticket, Programmheft, Übernachtung und Blick hinter die Kulissen erhältlich. Kontakt unter Telefon 0 71 44 / 10 22 97 und -2 50 oder per E-Mail an touristik@schillerstadt-marbach.de.
In einer achtteiligen Serie führen wir auf die Festspiele hin, stellen Stücke und Protagonisten vor.