Isabel und Tanja Rieger (von links) Foto: Dominik Thewes

Isabel und Tanja Rieger haben sich am Freitag auf dem Marbacher Rathaus das Jawort gegeben. Es ist die erste gleichgeschlechtliche Trauung in der Schillerstadt.

Marbach - Sollen wir oder sollen wir nicht? Gehört unser Ja auf dem Standesamt nur uns oder in die Öffentlichkeit? Tragen wir eine gesellschaftliche Verantwortung und können wir mit dem Erzählen unserer Geschichte vielleicht dazu beitragen, dass in den Köpfen von immer weniger Menschen in Schubladen gedacht wird und gleichgeschlechtliche Ehen in unserer Gesellschaft immer mehr als Normalität wahrgenommen werden?

Tanja Rieger und Isabel Wostratzky haben sich die Antworten auf diese Fragen nicht leicht gemacht. Und sind am Ende doch zu der Entscheidung gekommen: „Ja, wir gehen ganz bewusst in die Öffentlichkeit, um anderen damit Mut zu machen.“ Gestern Vormittag haben sich die beiden Marbacherinnen auf dem Rathaus das Jawort gegeben. Als erstes gleichgeschlechtliches Paar in der Schillerstadt. „Das hat mich ehrlich gesagt doch etwas überrascht“, sagt Tanja Rieger, die sich seit vielen Jahren im Elternforum engagiert und seit 2011 dessen Vorsitzende ist. Schließlich gab der Bundestag der Ehe für alle schon am 30. Juni grünes Licht.

An genau jenem Tag, an dem Isabel Wostratzky ihrer Lebenspartnerin einen Heiratsantrag machte. „Und zwar noch vor der Abstimmung in Berlin“, erzählt die 40-Jährige mit einem Schmunzeln. Seit Weihnachten 2016 sind die beiden Frauen ein Paar. Ihre Biografien könnten – gerade was Beziehungen angeht – kaum unterschiedlicher sein. Isabel Rieger – die 40-Jährige hat gestern den Namen ihrer Ehefrau angenommen – hatte schon immer gleichgeschlechtliche Partnerinnen. „Ich bin quasi in der Pubertät hineingewachsen“, erzählt sie. Tanja Rieger war hingegen mit einem Mann verheiratet, trennte sich aber 2010 von dem Vater ihrer Söhne. Dass sie Jahre später eine Frau heiraten würde, hätte sie sich damals nicht vorstellen können. Heute weiß sie: „Liebe bezieht sich auf den Menschen, nicht auf das Geschlecht.“

„Isabel und ich kennen uns schon seit zehn Jahren, zusammen sind wir aber erst seit Weihnachten 2016“, erzählt Tanja Rieger. Aus Freundschaft wurde Liebe. „Ich erinnere mich noch, wie mein großer Sohn mich kurz vor Weihnachten fragte, ob ich mit Isabel zusammen bin. Da wurde mir eigentlich erst richtig bewusst, dass er Recht hat – dass uns wirklich mehr als nur eine Freundschaft verbindet.“

Die beiden Söhne Hannes und Jakob waren immer wieder so etwas wie die Katalysatoren in der Beziehung. „Sie waren uns immer einen Schritt voraus“, erinnert sich Isabel Rieger und lacht. „Auch beim Thema Heiratsantrag. Sie haben uns alles unheimlich leicht gemacht und freuen sich mit uns.“ Eine Auflage gab es seitens der Jungs in den ersten Wochen des Jahres allerdings doch: „Wir sollten nicht händchenhaltend durch Marbach laufen“, erinnert sich Tanja Rieger. „Sie hatten die Sorge, von Schulkameraden gehänselt zu werden.“ Die Sorge war Gott seid dank jedoch weitestgehend unnötig. Dass der unkomplizierte Umgang der eigenen Kinder mit dem Thema nicht selbstverständlich ist, dessen ist sich das Paar bewusst. „Homosexualität war aber schon immer irgendwie Teil der Familie“, erklärt Tanja Rieger. „Ein Trauzeuge bei meiner ersten Hochzeit ist schwul und drei Au-pairs, die wir hatten, waren es ebenfalls.“

Auch der Rest ihres sozialen Umfelds machte es den beiden einfach – privat ebenso wie bei der Arbeit. „Wir haben keine Ablehnung erfahren“, sagt Tanja Rieger. „Im Gegenteil: Einige Frauen kamen auf mich zu und erzählten mir, dass sie selbst nicht den Mut haben oder hatten, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft zu führen und sie es großartig finden, dass ich meine Liebe lebe.“

Der Gang aufs Standesamt ist den beiden wichtig. „Regenbogenfamilien werden von vielen nicht als Familien gesehen, weil das klassische Rollenbild immer noch Vater, Mutter und Kind braucht. Aber jetzt sind wir ganz offiziell eine Familie und wir freuen uns riesig, dass gleichgeschlechtlichen Paaren dieser Weg jetzt offensteht.“

Mit einem großen Fest wurde das Jawort gestern gefeiert. Angestoßen wurde auf die Hochzeit, aber auch auf den Geburtstag des jüngeren Sohnes, denn der wurde gestern 12 Jahre alt. Glückwunsch allen zusammen!