Experten haben zum Thema Flüchtlinge diskutiert. Foto: Werner Kuhnle

Landratsamt und Stadt Marbach versuchen, für die hohe Zahl an Flüchtlingen Quartiere bereitzustellen. Die Kommune kommt dabei noch ohne unpopuläre Maßnahmen aus.

Marbach - Bei der Podiumsdiskussion am Montagabend in der Marbacher Stadthalle zum Thema Flüchtlinge sind vor allem zwei Dinge deutlich geworden. Zum einen ist die Bereitschaft von Ehrenamtlichen, sich für die Integration der Asylbewerber einzusetzen, enorm. Die Zahl der Helfer habe von einst 40 auf jetzt 75 zugenommen, sagte Rolf Benneweg vom örtlichen Asylkreis. Zum anderen machten vor allem der Bürgermeister Jan Trost und Jürgen Vogt, Dezernent für Recht, Ordnung und Verkehr im Landratsamt Ludwigsburg, klar, dass es eine immense Kraftanstrengung bedeutet, all den hier gestrandeten Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten. „Da sehe ich große Probleme auf uns zukommen“, stellte der Rathauschef fest. Insbesondere dann, wenn die Asylbewerberzahlen so hoch blieben wie aktuell.

Jan Trost machte keinen Hehl daraus, dass dann eventuell auch unpopuläre Maßnahmen ergriffen werden müssen. Stichwort Belegung von Turnhallen. Der Bürgermeister wollte auch nicht gänzlich ausschließen, dass freistehender Wohnraum für die Beherbergung von Flüchtlingen quasi zwangseingezogen wird. „Aber aktuell ist das kein Thema“, versicherte er. Auch von Sporthallen könne man die Finger lassen. Das Konzept sehe stattdessen vor, Wohnraum für 400 Personen zu schaffen. „Wir hoffen, dass das bis Mitte 2016 reicht.“

Die Situation sei in Marbach wie im gesamten Landkreis Ludwigsburg besonders prekär, weil der Raum dicht besiedelt und Flächen damit ein knappes Gut seien, ergänzte Jürgen Vogt. Insofern schlage der Kreis auch oft zu, wenn Immobilien angeboten werden. „Aber nicht zu jedem Preis. Da gibt es teilweise abenteuerliche Vorstellungen“, antwortete der Dezernent auf eine Frage der Moderatorin Karin Götz. Im Kreishaus orientiere man sich am Mietspiegel. Vogt beteuerte auch, dass man in Marbach nicht befürchten muss, dass das Landratsamt von jetzt auf nachher einen Bus vollgepackt mit Flüchtlingen vorbeischickt – weil die eigenen Kapazitäten erschöpft sind. Vielmehr würden die Menschen prozentual auf die einzelnen Kommunen verteilt. Weil man sich dennoch an der Grenze des Leistbaren bewege, forderte er ein geordnetes Aufnahmeverfahren in ganz Europa. Zudem müsse das Signal ausgesandt werden: „Bleibt, wo ihr seid“ – und meinte damit jene Länder, in denen die Flüchtlinge sicher sind und sich sprachlich besser als hier zurechtfinden.

Wer aber doch nach Marbach und Umgebung kommt, werde von der Polizei behandelt wie jeder andere auch, betonte Peter Kolwe, der Leiter des Reviers in der Schillerstadt. „Für uns ist der Mensch Mensch“, erklärte er. Bislang habe man im Zuständigkeitsbereich glücklicherweise auch noch keine Erfahrung mit gezielten gewalttätigen Aktionen gegen Asylbewerber machen müssen. Allerdings sei es schon passiert, dass an Personen, die Immobilien für Flüchtlinge anbieten wollten, Hass-Mails versandt wurden.

Annette Walter vom Flüchtlingsdiakonat der Prälatur Heilbronn hatte ein einfaches Rezept parat, damit Übergriffe gar nicht erst in den Sinn kommen: „Wo Begegnung stattfindet, gibt es keine Gewalttendenzen“, sagte sie. Die Angst der Leute vor den Flüchtlingen sei oft etwas diffus. Es sei also hilfreich, „wenn das Individuum ein Gesicht bekommt“.

„Öffnen Sie sich, auch Neuem und anderen Menschen gegenüber und helfen Sie denen, denen es nicht so gut geht“, empfahl Rolf Benneweg vom Asylkreis Marbach den rund 600 Zuhörern in der Stadthalle. Er wies zudem darauf hin, dass das Wenige, mit dem die Asylbewerber hier starten, für sie oft Luxus darstelle. Freilich gebe es auch solche, die mit überzogenen Erwartungen eingereist sind. „Diese Leute müssen begreifen, dass ihnen die gebratenen Tauben nicht in den Mund fliegen“, betonte er.

Erol Schirin, Leiter des Geschäftsteils soziale Betreuung im Landratsamt, konstatierte, dass der Großteil der Flüchtlinge durchaus arbeiten wolle. Und speziell die Syrer seien hoch qualifiziert und trotzdem mit Tätigkeiten zufrieden, die man auch mit weniger guter Ausbildung ausüben könnte. Der Lohn sei da nicht unbedingt die Hauptmotivation, sondern der Wunsch nach einer Aufgabe. So wichtig die Arbeit für die Flüchtlinge auch sein mag, die größte Herausforderung sieht der Fachmann derzeit jedoch an anderer Stelle: „Die Menschen menschenwürdig unterzubringen.“