Zum Schwertkampf gehört nicht nur das richtige Angreifen, sondern auch das Parieren. Foto: geschichtenfotograf.de

Die Fechtschule von Michael Schüle hat sich der historischen Kampfkunst verschrieben. Ganz verschiedene Menschen interessieren sich dafür.

Marbach - E

in kurzes Kopfnicken zur Begrüßung, dann gehen die beiden Kämpfer aufeinander los. Der breitschultrige junge Mann lässt sein Zweihandschwert wieder und wieder auf seine Kontrahentin niedersausen. Die hat alle Mühe, die Attacke, einen Mittelhau, abzuwehren, hält sich aber wacker. Bei jeder gelungenen Parade weicht sie einen Schritt zurück. „Stopp“, unterbricht plötzlich die Stimme von Fechttrainer Michael Schüle den Kampf. Partnerwechsel ist angesagt – ein bisschen wie in der Tanzstunde. Nur eben mit Holzschwert.

Tatsächlich hat die Fechtkunst, die Schüle den Teilnehmern seines Kurses in der Marbacher Gymnasiumsturnhalle lehrt, etwas von einem Tanz. Die Beinarbeit ist extrem wichtig, ein Verteidiger muss jeden Schritt seines Gegenübers spüren, ihn ausgleichen. Und wie beim Tanzen gibt es manche, die lieber führen. Alles ist eben Übungssache – genau wie die richtigen Paraden auf Oberhau, Unterhau und Mittelhau.

Die Schwertkämpfer in spe sind eine ziemlich bunte Gruppe. Ein junger Mann mit langen Haaren ist gerne auf Mittelaltermärkten unterwegs und interessiert sich deswegen für Schwerter, ein anderer sucht ein spaßiges Hobby, einige Pädagogen wollen sich fortbilden. Der Kirchberger Jochen Zowe, der im Sommer das Waldheim der evangelischen Kirche leitet, geht seit November in Schüles Fechtschule. Wie die anderen, kommt er ganz schön ins Schwitzen: „Das Fechten ist eine tolle Sportart, man trainiert wirklich jeden Muskel“, meint er und lacht: „Und als Mann freut man sich doch auch, wenn man ein Spielzeug in die Hand bekommt.“

Im Mittelalter war das Langschwert freilich mehr als das. Die „Königin der Schwerter“ schlug fürchterliche Wunden, begleitete Krieger in den Kreuzzügen ins Morgenland, um dort auf blutige Weise das Christentum zu verbreiten. Dass die Parierstange eines Schwerts auch Kreuzstange genannt wird und besonders in dieser Zeit sehr stark ausgeprägt war, sei kein Zufall, erklärt Schüle: „Sie war auch ein religiöses Symbol.“ Mit den packenden Fechtduellen von der Kinoleinwand hatten die Scharmützel anno dazumal allerdings kaum etwas gemein. „So ein Kampf war schnell entschieden. Zwanzig, dreißig Sekunden waren schon sehr lang“, erklärt er der interessierten Runde. Einst endete ein Schwertkampf mit Tod oder Verwundung. Damit das in der Marbacher Turnhalle anders läuft, gibt es für den Einstieg erst mal Bambusschwerter – eigentlich ein Shinai für das asiatische Kendo, mit einer Parierstange versehen, werden sie zum Langschwert. Schwerter aus Stahl bekommen die Teilnehmer zum Ausprobieren auch in die Hand. Das Schwert des Meisters wiegt gerade mal 1,7Kilogramm.

Ein Schmied in Prag hat es für Schüle nach historischen Vorbildern aus Federstahl geschmiedet. „Es ist nicht scharf geschliffen, laut Gesetz ist es also keine Waffe, sondern ein Sportgerät. Trotzdem sollte man es zum Transport immer in eine Tasche packen“, erklärt der Fechtlehrer. Im Übrigen sei zum Beispiel Fußball viel gefährlicher als das Schwertfechten. „Wenn man sich an die Regeln hält, kann eigentlich nichts passieren.“

In seinem Kurs herrscht gute Laune statt Hau-drauf-Mentalität: „Voll toll“, freut sich Schüle strahlend, wenn die Angriffe und Paraden seiner Schützlinge sitzen. Seit seiner Kindheit begeistert er sich für das historische Fechten – aus dem Spiel mit Ästen im Wald wurde mehr. Schüle suchte sich Bücher alter Fechtmeister, musste dafür neben seinem Physiotherapiestudium unter anderem Mittelneuhochdeutsch lernen. „Das Schwertfechten ist nicht nur ein wahnsinnig vielseitiger Sport, sondern auch europäisches Kulturgut“, schwärmt er. Er verschlang die historische Fechtliteratur, wurde immer besser und machte sich 2009 mit seiner Fechtschule „Sieben Schwerter“ selbstständig. Zusammen mit einem weiteren Lehrer gibt er unter anderem für die Schiller-VHS Ludwigsburg Kurse. „Viele fragen mich, ob man davon leben kann – es geht sogar besser als von der Physiotherapie“, sagt er. Von seinen Kenntnissen um Muskeln, Knochen und Sehnen profitiert er aber heute noch. Als er den Teilnehmern einige Meisterhiebe vorführt, gehen denen die Augen über. Bis sie so weit sind, wird es noch eine Weile dauern. Und ein bisschen Mittelneuhochdeutsch kann vielleicht auch nicht schaden.