Der Führerstand der MS Wilhelm Hubele ist zerstört worden. Foto: privat

Die MS Wilhelm Hubele bleibt an der Schleuse in Marbach hängen – der Kapitän rettet sich durch einen Sprung auf den Boden.

Marbach - Das Pech misst nur drei Zentimeter – für den Kapitän Jürgen Neumann hatte die fehlende halbe Daumenlänge fatale Folgen. Sein Schiff, die altehrwürdige MS Wilhelm Hubele aus dem Jahr 1908, blieb am Samstagmorgen gegen 8.40  Uhr am Hubtor der Marbacher Schleuse hängen. „Der Aufprall hat mir das Steuerhaus weggerissen“, erzählt der 63-jährige Binnenschiffer, der seit fast 35 Jahren für die Neckarweihinger Firma Wilhelm Hubele sicher Sand und Kies über Rhein und Neckar schippert.

Das Unheil nahm seinen Lauf, als Jürgen Neumann in die Schleuse einfuhr. Kurz zuvor war ihm ein Tanker entgegengekommen. „Der fuhr gerade aus der Schleuse in Richtung Stuttgart heraus und war sehr schnell“, erinnert sich der Kapitän. Durch den Sog sei viel Wasser abgezogen worden – das Problem: Es kam auch eine Menge wieder zurück. Und zwar mehr als sonst. Dadurch wurde die MS Wilhelm Hubele gegen das Hubtor der Schleuse gedrückt.

Warum der Wasserstand insgesamt so hoch war, darüber kann Jürgen Neumann nur rätseln. „Der Unterschied betrug wohl zehn Zentimeter.“ Mit einer solchen Differenz hatte der Berufsfahrer nicht gerechnet. Das Führerhaus mit einem Blick über das rund 100 Meter lange Schiff war etwas zu hoch eingestellt. „Letztlich haben wir noch riesiges Glück gehabt: Meine Frau saß wenige Minuten vorher noch auf ihrem Platz – und gerade dort ist das Steuerhaus eingerissen worden.“ Neumann selbst rettete sich, indem er sich auf den Boden warf.

Der Schreck steckt dem Kapitän immer noch in allen Gliedern. Wenige Wochen vor dem Abschied aus Unternehmen und Beruf hätte er sich einen harmonischeren Übergang gewünscht. Aber den sympathischen Mann, über dessen Alltag in diversen Zeitungsartikeln schon viel Seemannsgarn gesponnen wurde, beeindruckt die Hilfsbereitschaft, die er nach seinem Unfall erfahren hat.

Glück im Unglück hat der Havarierte auch, weil am Hubtor der Marbacher Schleuse kein Schaden entstanden ist. Das berichtet Barbara Grüter, die stellvertretende Leiterin des Wasser- und Schifffahrtsamtes Stuttgart. Die Behörde erlaubte dem Kapitän, bis zur nächsten Schleuse nach Pleidelsheim weiterzufahren. Die Reparatur sei mit der Zufahrt dort leichter möglich, erklärt Neumann.

Die Freude an der Abschiedsfeier werden sich der Kapitän und der Hubele-Geschäftsführer Helmut Bärlin trotz des Schadens nicht nehmen lassen. Die letzte Fahrt unternimmt Neumann mit einem abgedeckten Provisorium, parallel werde ein neues Steuerhaus errichtet.

Einen Nachfolger gibt es übrigens schon. Ein bisheriger Matrose aus Tschechien übernimmt das Steuer. Nach 47 Jahren auf den Flüssen kann sich Jürgen Neumann vorstellen, „manchmal noch einzuspringen, wenn Not am Mann ist.“ Doch zunächst geht es mit dem Wohnmobil erst mal in die Toskana zum Erholen.