Pfarrer Stefan Spitznagel ist als liberaler Pfarrer bekannt. Foto: Frank Wittmer

Pfarrer Stefan Spitznagel feiert am heutigen Montag seinen 60. Geburtstag.

Marbach - Der Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Zur Heiligen Familie, Stefan Spitznagel, wird am heutigen Montag 60 Jahre. „Die Zahl hört sich so groß an“, sagt der dynamisch wirkende Geistliche, der seit März 2015 offiziell der katholischen Seelsorgeeinheit IX vorsteht, die neben Marbach und Rielingshausen auch die Gemeinden in Benningen und Erdmannhausen umfasst.

Gefeiert wird mit Freunden, und nach Ostern am 21. April mit der Gemeinde. Der runde Geburtstag sei durchaus Anlass, auf das Leben zu schauen. „Das Alter ist ein Aussichtsturm“, meint Spitznagel. Die Zeit als Seelsorger in der Klinik habe ihn gelehrt, das Wesentliche stärker zu gewichten. „Ich merke, dass ich gelassener werde, anders mit Zeit umgehe, die immer kostbarer wird.“ Auch Arbeitszeit ist Lebenszeit, eine wichtige Erkenntnis gerade für einen katholischen Pfarrer, der eigentlich nie richtig Feierabend hat. Er mache weniger, das dafür intensiver, und auch großzügiger sei er geworden.

Als sehr liberaler Pfarrer, der bewusst alle zur Kommunion einlädt und auch Gottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare zelebriert, stoße er mitunter schon auf Widerspruch. „Ich finde das mutig, wenn mir das jemand sagt.“ Er ermutige Kritiker sogar, offen die Meinung zu sagen. „Das gehört dazu, das finde ich unterstützenswert.“ Nur so könne man in einen offenen Dialog treten anstatt Gerüchten hinterherzulaufen.

„Kirche ist doch wie Fußball: Da kann jeder mitreden.“ Insofern müsse auch er Toleranz aufbringen, andere Meinungen auszuhalten. „Ich hoffe natürlich, dass die Zahl derer, die mit meiner Art nicht zurechtkommt kleiner ist als diejenigen, die mich positiv unterstützen.“

Toleranz war auch das Thema seiner Predigt zur Investitur vor drei Jahren – die von oben herab wie ein Almosen gegebene Toleranz. Nicht nur wenn es um Neuankömmlinge geht, auch für Frauen in der Kirche, Homosexuelle und viele andere „Randgruppen“, die er in die Mitte rücken möchte, reiche Duldung nicht aus. „Wir brauchen eine Akzeptanz, die sich in einer Wertschätzung ausdrückt“, zitiert Spitznagel den Theologen Gotthard Fuchs.

Die katholische Kirche stecke in einem Dilemma. Die rigide Moral werde oft nicht gelebt. „Faktisch lassen wir vieles zu, was nach unseren Regeln und Gesetzen nicht erlaubt ist.“ Die Marbacher dürfen sich wohl aber noch zehn Jahre an ihrem Pfarrer erfreuen. „Es gefällt mir gut hier. Und es gibt noch genug Herausforderungen.“ Katholische Geistliche sollen bis zum 70. Geburtstag im Dienst bleiben. Weil er stets seine Meinung sage und auch lebe, „besteht keine Gefahr, dass ich befördert werde“. Umgekehrt bedeutet das aber: „Wenn man keine Karriere machen will, darf man in der katholischen Kirche sagen, was man will.“

Wenn er sich etwas wünschen dürfte, würde er mehr Selbstbewusstsein in der Gemeinde einfordern. „Es braucht nicht immer einen Pfarrer oder Hauptamtliche, die Gemeinde ist selbst das Subjekt der Seelsorge. Wir leben zu wenig, was wir können, und fragen zu oft, was wir dürfen.“