Jan Trost genießt die Zeit daheim bis zum Beginn der Reha. Foto: Werner Kuhnle

Dem Marbacher Rathauschef Jan Trost ist vor zwei Wochen ein gutartiger Hirntumor entfernt worden. Die Reha beginnt, er will bald wieder arbeiten.

Marbach - Gerade mal zwei Wochen ist es her, da leitete Bürgermeister Jan Trost die Sitzung des Gemeinderates. Dreieinhalb Stunden lang dauerten öffentlicher und nicht öffentlicher Teil. Gegen 21.30 Uhr brach die Runde zur Nachsitzung auf. Mit dem Verwaltungschef. Nach außen hin war es ein ganz normaler Donnerstagabend, und doch wurde Jan Trost an diesem Abend bewusst, dass irgendetwas nicht stimmte. „Ich hatte schon in den Wochen zuvor immer mal wieder Schwindel und ein ungutes Gefühl“, erzählt der Marbacher Rathauschef. „Als die Sitzung dann vorbei war und ich aufstehen wollte, hatte ich Ausfälle in meinem Gesichtsfeld und einen Tunnelblick.“ Was er damit meint? „Ich konnte Gerhard Heim, der ja immer links von mir sitzt, nicht mehr sehen. „Nach einem Moment ging es dann aber wieder und deshalb bin ich auch in die Nachsitzung mitgegangen.“

Am nächsten Morgen ist der Schwindel nicht verschwunden, deshalb macht Trost einen Termin beim Hausarzt aus. Der überweist ihn gleich zum Hals-Nasen-Ohrenarzt. Mit dem Gleichgewichtsorgan ist alles in Ordnung. „Mein Hausarzt hat dann sofort einen Termin im Krankenhaus in Ludwigsburg ausgemacht“, berichtet Trost. Die Computertomografie zeigt Auffälligkeiten, lässt aber noch keine endgültige Diagnose zu. Schlaganfall oder Tumor stehen im Raum.

Das Ergebnis des anschließend gemachten MRT bringt wenig später die Welt des 42-Jährigen und seiner Familie von einem Moment auf den anderen ins Wanken. „Sie haben einen Tumor am Kleinhirn. Gottseidank an einer Stelle, an der gut operiert werden kann“, wiederholt Jan Trost die Nachricht, die ihm eine junge Ärztin nach der Untersuchung übermittelt hat. „Du stehst mitten im Leben und rechnest nicht mit so was. Da zieht es einem von einem Augenblick auf den anderen den Boden unter den Füßen weg“, fasst der Marbacher Verwaltungschef seine Gefühle in Worte. Im September erwarten er und seine Frau ihr drittes Kind. „So eine Diagnose ist dann ein Schlag, mit dem man erst einmal klar kommen muss.“

Er selbst, aber auch Ehefrau Claudia. „Ich wusste, dass das CT um halb Drei gemacht wird und als ich drei Stunden später immer noch nichts gehört hatte, war mir klar, dass irgendetwas nicht stimmt“, holt Claudia Trost die bangen Stunden des Wartens aus der Erinnerung. Als dann der Anruf mit der erwartet schlimmen Nachricht kommt, macht sie sich sofort mit den beiden Kindern Jakob und Klara auf den Weg ins Krankenhaus. „Komischerweise bin ich ganz ruhig geworden und habe nur noch funktioniert, wie eigentlich die ganze Zeit über“, erzählt Claudia Trost.

Auch wenn die Operation erst auf Montag angesetzt ist – nach Hause darf der Rathauschef nicht mehr. Der gutartige Tumor, der im hinteren Bereich des Kleinhirns sitzt, hat einen Durchmesser von drei Zentimetern und staut das Gehirnwasser an. Durch eine sofort eingeleitete Cortisonbehandlung wird versucht, den gefährlichen Druck zu reduzieren. „Was Gott sei Dank auch gelungen ist.“

Am Montag vor einer Woche um halb Acht beginnt Neurochirurg, Professor Dr. med. Oliver Sakowitz mit seinem Team zu operieren. Sieben Stunden dauert der Eingriff. Die Nacht von Sonntag auf Montag findet Jan Trost so gut wie keinen Schlaf. „Da geht einem alles durch den Kopf. Man macht sich Sorgen um die Familie, darüber was bei dem Eingriff passieren kann. Ob man danach wieder laufen kann und wieder ganz der Alte sein wird“, erzählt er.

Doch die Operation gelingt. Bis Dienstag wird der 42-Jährige auf der Intensivstation überwacht. Der Montag ist so gut wie ausgelöscht. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern – außer, dass meine Frau an meinem Bett gesessen hat, als ich etwas zu mir kam“, erzählt Jan Trost. Am Donnerstag darf er zum ersten Mal aufstehen. „Ich bin mit einem Rollator über den Gang gelaufen – das war ein gutes, aber auch komisches Gefühl.“ Claudia Trost ist immer an seiner Seite. Auch die Kinder besuchen den Papa im Krankenhaus, nachdem alle Schläuche entfernt sind, die den Kleinen Angst machen könnten. „Meine Familie hat mir unheimlich Kraft gegeben“, sagt Jan Trost.

Seit vergangenem Montag, also gerade einmal eine Woche nach der Operation, ist Jan Trost wieder daheim bei der Familie. „Ich bin froh und dankbar, dass ich alles so gut überstanden habe, und die Teilnahme an unserem Familienleben tut mir gut, auch wenn es manchmal etwas turbulent zugeht“, sagt er lächelnd und dreht sich zu Tochter Klara um, die mit ihrer Mama im Wohnzimmer auf dem Boden spielt. In der Tat. Als der Rathauschef an diesem Mittwochnachmittag die Haustüre aufmacht, deutet nichts darauf hin, was für schwere zwei Wochen er hinter sich hat. In den nächsten Tagen, so hofft Jan Trost, beginnt die vier- bis sechswöchige Reha. „Meinem Mann kann es nicht schnell genug gehen“, verrät Claudia Trost und schmunzelt. „Er ist schon etwas ungeduldig.“

Vor zwei Tagen wurden dem 42-Jährigen nun Klammern am Hinterkopf entfernt. „Bei der OP sind die Nackenmuskeln auseinandergedehnt und eine Platte aus der Schädeldecke herausgesägt worden, um an das Kleinhirn beziehungsweise den Tumor zu kommen“, berichtet Jan Trost. „Nachdem die Klammern draußen sind, muss ich in drei Monaten wieder zur Kontrolle. Der Tumor konnte vollständig entfernt werden.“

Auch wenn der Rathauschef lieber heute als morgen mit der Reha beginnen würde, um schnell zurück in sein altes Leben und an seinen Arbeitsplatz zu kommen, stellt er die Notwendigkeit der Auszeit nicht in Frage. „Ich bin erschrocken, wie schnell der Körper in kürzester Zeit abbaut. Mein Körper und mein Kopf brauchen die Zeit, um wieder ganz fit zu werden. Nach der Reha werde ich aber meinen Job wieder machen können.“ Diese Botschaft ist dem 42-Jährigen wichtig. Das ist während des ganzen Gesprächs zu spüren. „Ich möchte, dass die Leute wissen, warum ich Knall auf Fall verschwunden bin. Ich mache meine Arbeit gern. Ich hatte kein Burn out, ich hatte einen Hirntumor.“

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„Im Hier und Jetzt“

Die Nachricht über eine schwere Erkrankung
kann den Blick für das Wesentliche schärfen. Von Karin GötzKarin Götz

Marbach - Wir alle wissen, dass unser Leben von einem Moment auf den anderen ins Wanken geraten kann. Gerade noch gelacht und unbeschwert durch das Auf und Ab des Alltags gesteuert, stürzen uns Nachrichten, die uns selbst oder Menschen aus unserem engsten Zirkel betreffen, plötzlich in die Tiefe. „Sie haben einen Tumor“ ist so ein Satz, der im eigenen Lebensgebäude keinen Stein mehr auf dem anderen lässt. Auch wenn der Tumor gutartig und operabel ist. Ein stundenlanger Eingriff – dazuhin im Kopf – birgt große Risiken. Nichts könnte danach mehr so sein wie es vor der Diagnose gewesen ist.

Wer selbst nicht schon einmal in der Situation gewesen ist, in die Jan Trost vor zwei Wochen geworfen wurde, kann nur erahnen, wir er und seine Frau sich gefühlt und was sie durchgemacht haben. Und wie groß die Dankbarkeit und Erleichterung sein muss, dass alles gut verlaufen ist und der Ehemann und Papa wieder daheim mit am Esstisch sitzt und schon wieder ungeduldig mit den Hufen scharrt, weil er möglichst schnell wieder den Job machen möchte, den er so gerne macht. Dass sein Team im Marbacher Rathaus ihm den Rücken freihält und die Geschäfte wie gewohnt geräuschlos weiterlaufen, auch wenn der Chef noch ein paar Wochen fehlt, ist die beste Unterstützung in der Rekonvaleszenz, die man sich wünschen kann.

Die Geschichte des Marbacher Rathauschefs ist eine von vielen. Tagtäglich wird Menschen durch medizinische Hiobsbotschaften der Boden unter ihren Füßen weggerissen. Jeder geht anders mit Krisen um. Die einen werden völlig aus der Bahn geworfen und brauchen lange, um wieder so etwas wie Optimismus zu spüren. Die anderen schauen auf das halb volle Wasserglas statt auf das halb leere Glas.

Ich habe bei meinem Besuch im Hause Trost einen Menschen erlebt, der mit viel positiver Energie nach vorn schaut und beeindruckend offen mit dem Erlebten umgeht. Die Familie gab ihm Kraft. Ebenso wie die Freude auf die Rückkehr in seine Arbeit. Das ist zu spüren. Mir hat die Begegnung einmal mehr bewusst gemacht, wie wichtig es ist, im Hier und Jetzt zu leben und jeden Tag bewusst zu erleben. Mit den Menschen an seiner Seite, die einem wichtig sind.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch eine Anmerkung in eigener Sache. Ja, wir wussten, dass Jan Trost einen Hirntumor hat. Schon vor der Operation. Wir haben uns aber bewusst gegen eine Berichterstattung entschieden und lediglich berichtet, dass der Rathauschef erkrankt ist – bis er selbst das Gespräch mit uns sucht. Der Mann an der Spitze der Stadt ist eine Person des öffentlichen Lebens. In erster Linie ist er aber ein Mensch, mit einem Recht auf Privatsphäre – gerade in solch einer Situation . Das mag aus der Sicht des ein oder anderen vielleicht die falsche Entscheidung gewesen sein – aus unsrer Sicht war es die richtige.