Muss man nachts zum Arzt, stellt sich oft erst mal die Frage: wohin? Foto: dpa

Ärzte und Bürgermeister kritisieren den Wegfall der Standorte für Beilstein und der Notfallaufnahme am Krankenhaus in Marbach. Dadurch verlängert sich für die Patienten im Ernstfall unter anderem der Anfahrtsweg.

Marbach/Bottwartal -

Was tun, wenn man am Wochenende hohes Fieber bekommt oder nachts mit unklaren Schmerzen aufwacht? Für viele bleibt nur der Anruf beim Rettungsdienst, obwohl in manchen Fällen ein ärztlicher Rat reichen würde. Der gute alte Hausarzt, der rund um die Uhr erreichbar ist – den gibt es nicht mehr.

Einer, der sich noch lebhaft an diese für Ärzte aufreibende Zeit erinnern kann, ist der Allgemeinmediziner Richard Steck, der schon seit 40 Jahren seinen Dienst in Beilstein versieht. „Früher hatten wir eine Tasche mit Medikamenten, die von der Apotheke gepackt wurde, mit der sind wir am Wochenende zu den Patienten gefahren“, sagt er. Heute sei der Arztberuf sehr viel geregelter, sagt Steck, der sich mit seiner Tochter Hanne eine „Mehrgenerationenpraxis“ teilt, in der Teilzeit möglich ist. Das ist sicherlich zum Vorteil des Berufsstandes, ebenso wie die Einrichtung von Notfallpraxen, mit denen die ärztliche Versorgung außerhalb der Praxiszeiten sichergestellt wird.

Für Beilstein droht nun die geplante Schließung der Notfallpraxis im knapp 20 Autominuten entfernten Talheim. „Im Landkreis Heilbronn wird der Notdienst immer weiter ausgedünnt“, so Steck. Bei einer Versammlung protestierte die Ärzteschaft gegen die geplante Schließung der Notfallpraxis in Talheim und der Klinik in Brackenheim. Künftig soll die SKL-Klinik in Heilbronn zentrale Anlaufstelle sein.

Die Vorgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), innerhalb von 20 bis 30 Autominuten eine Notfallpraxis zu erreichen, wird hier infrage gestellt: Von Beilstein zum Krankenhaus „Gesundbrunnen“ in Heilbronn dauert es eine halbe Stunde. „Wenn man bedenkt, dass wir elf Teilorte haben, und ältere Menschen nicht immer so mobil sind, ist der Zeitverlust enorm“, merkt der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl an. Auch wenn der Vorstoß der Stadtverwaltung für ein Ärztehaus auf wenig Gegenliebe bei den niedergelassenen Medizinern gestoßen ist, will Holl an der Frage der Sicherung des Gesundheitsstandortes Beilstein weiter dranbleiben.

Im Nachbarort Oberstenfeld stellt sich das gleiche Problem: Hier dauert es ebenfalls rund 30 Minuten, bis die empfohlene Notfallpraxis in Bietigheim, oder als Alternative in Winnenden beziehungsweise am Klinikum in Ludwigsburg erreicht ist, Orientierung und Parkplatzsuche nicht mit eingerechnet.

Der Oberstenfelder Arzt Manfred Frenzel sieht die Erreichbarkeit der Notfallpraxis in Bietigheim aber als realistisch an. „Es gibt keine Beschwerden, dass die Entfernung zu groß ist. Man muss bedenken, dass der finanzielle Aufwand einer Notfallpraxis relativ hoch ist, wenn man eine wohnortnähere Versorgung haben möchte.“

Wer nachts oder am Wochenende in die Notfallpraxis fährt, muss sich jedenfalls auf eine längere Wartezeit einstellen. Bei der Aufnahme werden die Fälle nach Priorität eingestuft. „Es kann sein, dass man schon mal drei Stunden warten muss, weil akute Fälle Vorrang haben“, erklärt Alexander Tsongas, Abteilungsleiter Unternehmenskommunikation der Regionalen Klinikenholding, zu der auch Marbach gehört.

Der Marbacher Bürgermeister Jan Trost sieht durch den vom Kreistag beschlossenen Umzug der Inneren Medizin vom Marbacher Krankenhaus nach Bietigheim in voraussichtlich fünf Jahren und den dadurch bedingten Wegfall der rund um die Uhr besetzten Notaufnahme einen „deutlichen Verlust“. „Die Wege sind lang und die Wartezeiten in der Notfallpraxis in Ludwigsburg auch. Wenn ich mich beim Heckenschneiden verletze, kann ich nicht lang überlegen, wo ich hinfahre. Die Notaufnahme in Marbach ist eine wichtige Anlaufstelle bei Verletzungen.“

Die ambulante Versorgung sei aber nicht die Aufgabe der Krankenhäuser, betont Klinikensprecher Tsongas. „Es kommt im Schnitt ein Patient pro Nacht in die Notaufnahme in Marbach. Wir schicken natürlich niemand weg und versorgen kleinere Verletzungen, auch wenn dafür die ärztliche Notfallpraxis in Ludwigsburg oder Bietigheim die richtige Anlaufstelle wäre.“ Für eine zusätzliche Notfallpraxis in Marbach oder im Bottwartal gibt es derzeit keine Initiative. Die KVBW, so deren Sprecher Kai Sonntag, habe die klare Vorgabe, dass eine von der Ärzteschaft getragene Praxis an ein bestehendes Krankenhaus angegliedert werden müsse. Die Folge der immer schlechter werdenden hausärztlichen Versorgung bekommen unter anderen die Rettungsdienste zu spüren. Am Wochenende oder an Feiertagen klingelt mitunter der Notruf, obwohl nicht immer ein Notfall vorliegt. „Die Leute wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen“, hat Dieter Kolb von der Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Marbach festgestellt. Ein Zustand, der nicht gerade ideal ist – und zwar für keinen.