Ralf Trettner, Volker Hommel, Martin Schäffer und Monika Lesny-Ruoff diskutieren mit Oliver von Schaewen (von links). Foto: Werner Kuhnle

Das Silvesterfeuerwerk bereitet Freude, kostet aber auch eine Stange Geld. Im Redaktionsgespräch diskutieren Gäste über Sinn und Unsinn des Brauchs.

Marbach/Bottwartal - Mehr als 120 Millionen Euro werden in Deutschland regelmäßig zu Silvester verfeuert. Ist das ein sinnloser Wahnsinn oder zählt die pure Freude am Feuerwerk, die dann aber auch teuer werden kann? Dieser Frage sind vier Zeitgenossen im Redaktionsgespräch nachgegangen: Ralf Trettner, Bürgermeister von Pleidelsheim, Monika Lesny-Ruoff, Pädagogin aus Erdmannhausen, sowie Pfarrer Volker Hommel und Feuerwehrkommandant Martin Schäffer, beide aus Steinheim.

Kurzer Check zu Beginn: Die Männer stufen sich auf einer Freude-Skala von eins bis zehn bei „sieben bis acht“ ein, Monika Lesny-Ruoff, frühere Grünen-Kreisrätin und dreifache Mutter, bei „höchstens fünf – und das auch nur beim Zuschauen“. Selbst Hand anzulegen, hätten sie und ihr Mann nur den Kindern zu Liebe gemacht „mit einer Packung von fünf Raketen, Kinderzeugs und Wunderkerzen“, jetzt seien sie wieder zum früheren Grundsatz „Brot statt Böller“ zurückgekehrt, was bedeute, das Geld lieber zu spenden. Sie freue sich am Feuerwerk, halte es aber für übertrieben.

Verantwortungsvoll damit umgehen – das ist die Devise von Pfarrer Volker Hommel. Die Kinder hätten ihn verändert, er sehe im Feuerwerk einen Ausdruck für Lebensfreude und Erwartung fürs neue Jahr, insbesondere, „wenn es funkelt und glitzert“, nicht aber, „wenn es kracht“, weil das andere erschrecke. Deshalb gelte für ihn: Maß halten, er setze sich die Obergrenze, die eher bei 30 als bei 50 Euro liege. Er sehe auch eine Chance, den Kindern beizubringen, relativ sparsam und sorgsam mit den explosiven Stoffen umzugehen. Dieses Jahr gebe es allerdings nichts, weil die Familie zusammen Einkehrtage besuche.

Böller brauche er überhaupt nicht, „wir haben schon genug Umweltverschmutzung“, sagt Ralf Trettner, Bürgermeister von Pleidelsheim und CDU-Kreisrat. „Mir würde aber definitiv etwas fehlen, wenn es nicht leuchten würde zu Silvester.“ Maß zu halten, sei für ihn im Alltag wichtiger als ausgerechnet zu Silvester. So etwa mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zum Bäcker zu fahren oder das Kind zu Fuß in die Schule gehen zu lassen. Sein Budget: „maximal 50 Euro“.

Das war auch bei Martin Schäffer die Obergrenze, „solange die Kinder klein waren“. Er selbst blicke seit mehr als 40 Jahren im Feuerwehrdienst jedes Jahr neu sorgenvoll der Silvesternacht entgegen. „An der 0-Uhr-Grenze ist meistens Einsatz.“ Er persönlich würde die Raketen komplett in Altstädten verbieten. „Das ist sehr gefährlich, es kommt immer wieder zu Dachstuhlbränden.“ Die Witterung spiele eine starke Rolle: Auch diesmal soll es trocken bleiben, weshalb es zu Heckenbränden kommen könne, auch das trockene Laub entzünde sich leicht. Deshalb feuere er keine Raketen mehr ab. „Ich bin da eh meistens im Einsatz.“

Gefährlich sind auch fehlgesteuerte Raketen, ergänzt Volker Hommel. In Marbach sei eine knapp an seinem Kopf vorbeigezischt. Angetrunkene Jugendliche seien das gewesen, er habe daraufhin seine Kinder zur Seite genommen. Martin Schäffer findet Böller vor Kirchen während des Gottesdienstes ärgerlich. „Von 22  Uhr an und bis 1.30 Uhr ist es okay, aber alles andere ist problematisch.“

Unter dem Lärm leiden auch Haustiere, erklärt Ralf Trettner, dessen Katze immer in den hintersten Winkel des Kellers flüchtet. Für stundenlange Massenknallerei habe er „null Verständnis“. „Wirklich schlimm“ sei es für ihre Katzen und die Vögel in der Voliere im Garten gewesen, erzählt Monika Lesny-Ruoff, „die sind richtig durchgedreht“. Durchdrehen könnten auch Menschen, weiß Volker Hommel, besonders hoch sei das Risiko, wenn Alkohol im Spiel sei, was in Verbindung mit dem Lärm zu erhöhtem Stress führe.

Trotz der negativen Begleitumstände bleibt die Freude am bunten Lichterglanz erhalten – darin sind sich dann alle Gesprächsteilnehmer einig. „An den Spenden, die das Jahr über eingehen, sieht man, wie großzügig die Menschen hierzulande sind“, lobt Pfarrer Hommel, der auf acht Millionen Euro für die Aktion „Brot für die Welt“ allein im Bereich der Württembergischen Landeskirche hinweist. Bürgermeister Ralf Trettner schließt sich an: „Mein Spendenaufkommen über das Jahr ist um einiges höher als das, was ich für die Silvesternacht ausgebe – man sollte das eine tun, müsse aber das andere nicht lassen. Und Martin Schäffer entdeckt im Feuerwerk auch eine soziale Komponente: „Da hängen echt viele Arbeitsplätze dran.“ Das wiederum schränkt Monika Lesny-Ruoff ein: „Aber nur, wenn man gute Leuchtkörper kauft – und nicht die chinesischen Billigdinger.“ Und nur mal am Ende des Jahres zu spenden, um das schlechte Gewissen zu beruhigen da gibt die Erdmannhäuserin dem Pleidelsheimer Bürgermeister Recht, sei nicht so effektiv, wie das ganze Jahr über Geld für soziale Projekte abzugeben.

Und worin liegt der eigentliche Reiz bei Silvester? Nicht erst am letzten Tag des Jahres blickt Kommandant Schäffer zurück, um sich zu fragen: „Was kannst du besser machen?“ Sein Vorsatz laute: „Öfter zu Hause bei seiner Frau sein“.

Pfarrer Hommel will am Jahresende alles Misslungene in Gottes Hände legen und es so abgeben. Das Glockengeläut sei für ihn am Jahresende am schönsten. Er bitte um Gottes Segen .

Die etwas ruhigeren letzten Tage des Jahres bieten auch für Ralf Trettner die Chance, öfter in sich zu gehen und über das Jahr nachzudenken.

Einig sind sich die vier darin, dass es am Silvesterabend bei Raclette oder anderen Gerichten schön ruhig und gemütlich zugehen sollte