Die Proben sind wahrlich schweißtreibend Foto: Avanti

Das Musiktheater kommt in Beilstein auf die Bühne. Das Einüben kostet Kraft.

Haben die anderen recht? Hab ich mein ganzes Glück verschenkt? Aber ich habe es doch gern getan . . .“, sagt sich der kleine Drache Tabaluga voller Selbstzweifel. Den nachdenklichen Part verkörpert die 13-jährige Maja Riexinger im grünen Kostüm mit den beiden quietschgelben Flügelchen am Bühnenrand vorne überzeugend, als sie sitzend direkt zum Publikum spricht.

Das besteht heute neben dem kleinen (Stuhl-)Kreis aus gerade pausierenden Darstellern, alle zwischen neun und 14 Jahre alt, nur aus Regieassistentin Sandra Werner und Regisseurin Nicole Bleher. „Dein Gesichtsausdruck!“, ruft die studierte Theaterpädagogin dem kleinen Drachen später nur zu, als Maja in einer Szene mit rundum gelöster Stimmung doch eher bedröppelt wirkt. Nach dem Zwischenruf hellt sich die Drachen-Miene schlagartig auf. Seit 9 Uhr an diesem Morgen dauern die Proben an diesem Mittwoch in den Pfingstferien im Konzertsaal der Großbottwarer Maks-Musikakademie schon. Jetzt rückt der große Zeiger auf die halbe Stunde nach elf Uhr vor. „Die Konzentrationsspanne wird kürzer“, sagt Nicole Bleher zu ihrer Regieassistentin, lächelt verständnisvoll. Sandra Werner gibt gerade mit fester Stimme die nächste Anweisung: „So, jetzt brauch’ m’r die Gletscherspalte!“ Wenig später wird der auf zwei zusammengefügten Seitenwänden gemalte Gebirgszug auf die Bühne gezogen.

Dies alles gehört zu den Durchlaufproben in den Pfingstferien. Auch, weil die kleinen Darsteller voll kostümiert sind, fordern die Proben ihren Tribut an Schweiß und Konzentration. Alle wirken ziemlich erschöpft. Der Magier muss aufs Klo. Tabalugas Flügel lösen sich vom Kostüm. Im geprobten Teil des Theaterstücks scheitert gerade der kleine Drache mit seinem übermütigen Sprung über die Gletscherspalte, die versammelte Tiermannschaft muss ihn aus seiner misslichen Lage retten, doch wundert sich die Regisseurin: „Das ist ja wie Stummfilm, macht doch mal Geräusche!“

Ulrich Staudenmaier, Gründer der Großbottwarer Musikschule und bei Tabaluga unter anderem zuständig für die musikalische Leitung, Band, und Technik, sagt am Rande der Proben: „Die theaterpädagogische Arbeit war sehr wichtig für uns.“ Nicole Bleher erklärt: „Manche waren sehr schüchtern, jetzt können sie sich auch vor Publikum einfach hinstellen und aus dem Innersten heraus eine Rolle verkörpern.“

Zwei Jahre dauerten die Vorbereitungen, in denen die Arbeit entsprechend in die Tiefe gegangen sei. Die ersten sechs Monate waren für Körperarbeit reserviert und etwa die Frage, welche Körperhaltung welche Emotion am besten ausdrückt. Drei größere Rollen waren zu besetzen: Neben der des Drachen Tabaluga die des „Magiers“ und von „Arktos“. Im Stück geraten der böse Arktos und der gutmütige Magier über das an Tabaluga verschenkte Glück in Streit, der in einer Wette gipfelt: Arktos glaubt, dass der kleine Drachen trotz aller Geschenke sein Glück nicht findet, der Magier setzt dagegen.

Doppelt besetzt ist fast jede Rolle, sodass bei den Aufführungen in der Beilsteiner Stadthalle im Juni möglichst viele Darsteller ihren großen Auftritt haben. Dabei wird eine bisher selten aufgeführte Theater-Bühnenfassung zu sehen sein. Der Tabaluga-Stoff diente auch bereits als Vorlage für ein Musical. Ursprünglich war Tabaluga als Konzeptalbum und Rockmärchen angelegt, erdacht von Sänger Peter Maffay gemeinsam mit Kinderliedermacher Rolf Zuckowski und Songautor Gregor Rottschalk. Entsprechend energiegeladen klingen die Stücke.

Nicole Bleher freut sich darüber: „Wir wollten coole, richtig rockige Musik.“ Den Sound liefert eine aus fünf Schülern der Musikschule bestehende Liveband. Dazu kommen insgesamt 60 Tänzer inklusive fünf Solistinnen, einem Sänger sowie 16 Schauspielern. Bestritten wird die Produktion unter anderem mit Hilfe des Tanzboden Oberstenfeld und des Kulturvereins Oberes Bottwartal. Bleher und Staudenmaier sind beide gelernte Musiklehrer, insofern ist für sie „der Weg das Ziel“, wie sie betonen. Nur als Familienprojekt sei das Ganze zu stemmen, „alle, die noch laufen können, müssen auch mittun“, so die Devise. So sind Partner und Kinder der Verantwortlichen mit von der Partie, ob beim Abkassieren oder beim Musikmachen.

„Seid Ihr bereit? Kleeblätter auf Position!“, ruft Regieassistentin Werner, und Nicole Bleher ergänzt: „Jetzt eine Stunde volle Konzentration, damit wir durchs Stück durchkommen!“ Gerade wird Musik über Lautsprecher eingespielt, die während Musikproben mitgeschnitten wurde, denn die Band fehlt heute. Tabaluga sagt gerade zu Silberfüchschen, die im weißen, fellbesetzten Kleidchen auf der Bühne steht: „Wie wär’s, wenn Du mich einfach um die Kette bittest, dann erzähle ich Dir, was man zum Leben braucht“, um gleich darauf die Antwort zu geben: „Nur das Feuer, denn das Feuer ist Energie!“ Dieses soll in Beilstein auf der Bühne spürbar werden.