Der Drittklässler Henry Weyer (vorne, Mitte) mit ist mit drei Stimmen Vorsprung zum Präsidenten gewählt worden. Auch die anderen haben wichtige Aufgaben. Foto: Werner Kuhnle

In der Wunnensteinschule gibt es ein Parlament, in dem die Kinder das Sagen haben.

Großbottwar - Politikverdrossenheit bei jungen Menschen? Dazu wollen es die Pädagogen an der Wunnensteinschule erst gar nicht kommen lassen. Was es heißt, aktiv an einem demokratischen Gestaltungsprozess beteiligt zu sein, der helfen kann, die Umstände an der Schule zu beeinflussen, das verdeutlicht das Schülerparlament an der Großbottwarer Wunnensteinschule. Schon in der Grundschulstufe können die Schüler aller Klassen dort lernen, mit parlamentarischen Grundmustern umzugehen und Demokratie von der Pike auf zu begreifen.

Eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten ist die jährliche Wahl zum Schülerparlamentspräsidenten, wie sie vergangene Woche in der Wunnensteinschule stattgefunden hat. Die im Treppenhaus aufgestellten Wahlurnen und Bewerberplakate begleiteten den Prozess. Denn pro Klasse wurden von den jeweiligen Klassengemeinschaften bereits zwei Vertreter für das Schülerparlament gewählt. Bei 14 Klassen sind das 28 Schüler, die sich – am Anfang des Schuljahres bei der ersten Parlamentssitzung – für vier Präsidentschafts-Kandidaten (je zwei Mädchen und Jungen) entscheiden müssen. Timo Kasimirski, der als beratender Lehrer den Abgeordneten im Schülerparlament zur Seite steht, weiß, dass mit dem Amt des Präsidenten besondere Anforderungen einhergehen. Er hat die 28 Schüler deshalb erst einmal sensibilisiert, darüber nachzudenken, welche Eigenschaften ein Mitschüler mitbringen muss, um als Kandidat für den Schülerparlamentspräsidenten in Frage zu kommen. „Gemeinsam haben wir Eigenschaften herausgefiltert, wie: Mit allen reden können, sich nicht auf eine Seite schlagen, die Interessen von allen wiedergeben und die Schule auch nach außen zu vertreten.“ Rasch sei den Kindern dabei klar geworden, dass diese Eigenschaften nicht einmal auf den Präsidenten der USA zuträfen. „Und im Umkehrschluss haben sie festgestellt, dass er in Summe all das ist, was er gar nicht sein dürfte“, hält Kasimirski mit markanter Betonung fest.

Dass mit dem im Herbst 2017 eingeführten System ein demokratisches Bewusstsein geschaffen wurde, hat sich inzwischen schon positiv auf das Schulleben ausgewirkt. Eine neue Schaukel bereichert etwa das Pausendasein der Kinder. Ein Wunsch, der aus den Reihen der Schüler kam und der zielorientiert verfolgt wurde. „Außerdem haben wir die Schüler entscheiden lassen, welche Schul-Regeln ihnen wichtig sind“, erklärt Kasimirski. „Und die wurden dementsprechend neu aufgestellt.“

Der Pädagoge ist froh über die Mitbestimmungsebene, die auch im Unterricht immer wieder Gesprächsanlässe auslöse. „Und die greifen wir Lehrer gewissenhaft auf.“ Er selbst sieht sich als jemand, der sich versucht „rauszuhalten“. „Ich organisiere lediglich die Termine und habe selbst kein Stimmrecht im Parlament.“ Viele Lernprozesse seien mit dem neuen System obendrein möglich geworden. Auch dieser, dass die Kinder lernen, dass man nicht immer glücklich aus einer Wahl hervorgehe. „Denn es kann sich eben nicht jeder als Kandidat aufstellen lassen, der es gerne wollte“, so der Lehrer, der versucht, jene Schüler mit weiteren Aufgaben zu versehen. So gibt es innerhalb des Gremiums etwa Protokollanten, Themen-, Zeit- und Regelwächter, die wichtige Aufgaben ausführen. Rollen, die unter dem Jahr auch getauscht werden. Für Kasimirski steht fest, dass die Kinder total begeistert vom Schülerparlament seien. „Wir haben eine hohe Wahlbeteiligung, da fehlen dann nur die Kranken.“ Das Wahlergebnis schließlich hat den Drittklässler Henry Weyer mit nur drei Stimmen Vorsprung bestimmt. Und dieser fungiert ab sofort als Ansprechpartner – auch für Personen von außen, wie den Bürgermeister der Stadt.