Einmal im Monat hat die Nähstube geöffnet. Dann werden historische Schnitte ausgetauscht. Foto: geschichtenfotograf.de

In der Nähstube sind die Arbeiten für das 18.-Jahrhundert-Fest in vollem Gange. In der Rosengasse 6 entstehen die prachtvollen Gewänder.

Marbach - Konzentriert folgt Helga Widler mit der Schere den Markierungen der Schneiderkreide. Gleich zwei Lagen des roten Stoffs zerteilt sie – kein Problem, schließlich ist Widler geübt. Schon vor dem ersten 18.-Jahrhundert-Fest, das 2009 stattfand, hatte sie in der Nähstube mitgemacht. Gerade arbeitet sie an einem „Manteau de lit“, einer einfacheren Oberbekleidung für Damen. Die feinere Gesellschaft trug es ihrerzeit zwischen dem Aufstehen und dem Ausgehen, die Landbevölkerung als Alltagskleidung.

Die Damen von der Nähstube 18. Jahrhundert haben viel Wissen gesammelt über die Kleidung zu Friedrich Schillers Zeiten. „Damals wurde kaum etwas weggeworfen. Die meisten Kleidungsstücke kann man recht einfach zu etwas anderem umnähen“, erklärt Widler. Aus dem Internet und aus Büchern tragen die Aktiven Schnitte zusammen, um an Ideen für das 18.-Jahrhundert-Fest zu kommen, das am 7. und 8. Mai 2016 in Marbach stattfinden wird.

Eines der aufwendigsten Kostüme ist das barocke Kleid mit Springrock, Unterrock und Oberteil, das die Nähstuben-Leiterin Sabine Stängle gefertigt hat. „Sie ist für die schmaleren Stücke zuständig, ich eher für die größeren Größen“, sagt Ursula Pressel. Ihr eigenes Werk hängt gleich nebenan: Ein „Pet-en-l’air“. Der Name der Jacke bedeutet übersetzt „Pups in der Luft“ – „wahrscheinlich, weil es eben so in der Luft hängt“, meint Pressel und lacht. Darunter trugen die Damen von einst einen langen Rock. „So etwas trugen eher gutbürgerliche Damen. Sie zeigten obenrum durchaus ihre Reize – die bäuerlichen Frauen verhüllten ihr Dekolleté, zeigten dafür aber Wade“, erklärt Pressel.

Heute kommt auch Andrea Hahn, der Kopf hinter dem 18.-Jahrhundert-Fest, in die Nähstube. Auch sie wird in einem Jahr ein historisches Kostüm tragen – „ich lasse es aber nähen“, gibt sie zu. Sie hat derzeit auch jede Menge damit zu tun, das Festprogramm zu planen. Einige Dinge stehen schon fest: „Auf dem Burgplatz werden Zelte stehen, auf jeden Fall wird es auch Mitmachtänze geben“, verrät sie. Außerdem werden Feuerstellen, Jongleure, historische Handwerker und szenische Stadtführungen das 18. Jahrhundert zum Leben erwecken. Hahn erinnert sich, dass vor dem ersten Fest, das 2009 stattfand, auch das Motto Mittelalter zur Diskussion stand. „Aber Marbach ist eine Stadt des 18. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde sie nach dem großen Brand wieder aufgebaut, und zu dieser Zeit haben auch die großen Söhne der Stadt gelebt“, sagt sie.

Auch auswärtige Kostümgruppen sollen auftreten. Etwa „Belissima“ aus Ludwigsburg, deren Mitglied Alexander Hommel sich heute in der Nähstube umsieht. Er und seine Mitstreiter kleiden sich im Stil von Barock und Rokoko. „Wir arbeiten gerade aus, was genau wir vorführen werden.“

Doch wer sich ein Kostüm nähen will, sollte sich ranhalten. Es dauert es noch fast genau ein Jahr bis zum großen Tag, doch die Damen von der Nähstube wissen, wie schnell das vorübergehen kann. Regelmäßig kommen Schülerinnen in die Nähstube, die schon angefangen haben, Gewänder für das Fest zu nähen. Bis in einem Jahr alle Kostüme fertig sind, ist also noch jede Menge zu tun. Auch für die geübten Näherinnen. Wenn in Marbach die Gewandeten feiern, wollen sie sich aber zurücklehnen, um den Anblick der fertigen Kostüme genießen zu können. Und erst mal keine Nähnadel mehr anrühren. Doch was, wenn eines der schönen Kostüme beim Fest kaputtgeht? „Dann helfen nur noch Sicherheitsnadeln“, sagt Helga Widler und lacht.