Rund 120 Mitglieder leben derzeit im Glaubenshaus Libanon. Foto: Werner Kuhnle

Teenager sollen in den 1970er-Jahren im Heizungskeller der Spätregen-Mission missbraucht worden sein. Die Zentrale der Gemeinschaft für Europa liegt in Beilstein, rund 120 Mitglieder leben im dort im Glaubenshaus Libanon.

Beilstein - Auch bei der Beilsteiner Spätregen-Mission hat es offenbar Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben. In den 1970er Jahren sollen zehn- bis fünfzehnjährige Jungen im Heizungskeller schwer sexuell missbraucht worden sein. Die Vorwürfe richten sich an zwei Täter, die die Mission finanziell stark unterstützt haben.

Martin Illig, seit November 2012 Vorstandsvorsitzender der Spätregen-Mission, geht mit den Missbrauchsfällen offen um. „Wir wollen nichts vertuschen und nichts geheim halten.“ Er habe mit einem der Opfer gesprochen, der in der Beilsteiner Gemeinschaft lebt. Andere der vermutlich zwei bis vier Missbrauchsopfer seien noch nicht mit ihm in Kontakt getreten, so Illig. „Ich habe die Opfer gebeten, sich bei der Staatsanwaltschaft zu melden, aber offensichtlich sind die Vorfälle verjährt, so dass hier keine Ermittlungen mehr aufgenommen werden.“

Über Hansjörg Hemminger, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, habe er um eine unabhängige Fachkraft gebeten, um die Vorfälle aufzuarbeiten. „Wir haben gelernt, dass interne Untersuchungen nicht erfolgreich sind, weil oftmals die Dinge vertuscht werden“, begründet Illig den Weg, eine unabhängige Person mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu betrauen. Ein erster Gesprächstermin mit den Opfern ist schon vereinbart.

Hemminger bestätigt, dass es Gespräche gegeben hat. Auch zu den im Internetforum „Gnadenkinder“ geäußerten Vorwürfen, dass ehemalige Mitglieder der Spätregen-Mission als „Ausgefallene“ und „Werkzeuge des Teufels“ bezeichnet werden, nimmt der Experte der Landeskirche Stellung. „Ich denke, solche Dinge hat es früher gegeben. Vieles, was in diesem Forum berichtet wird, bezieht sich aber auf Südafrika, wo die Spätregen-Mission ihren Hauptsitz hat. Es ist nicht zu erkennen, ob dies in Deutschland passiert ist.“

Illig weist die Diffamierung ehemaliger Mitglieder von sich. „Das ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass dies hier bei uns so gehandhabt wird. Wenn ein Mitglied aus unserer Glaubensgemeinschaft ausscheiden will, wird es mit einem Segen entlassen.“

Die Spätregen-Mission ist ein Zweig der „Latter Rain Mission International“. Seit 1927 hat sich die Mission von Südafrika aus weltweit ausgebreitet. Gegründet im Jahr 1957 liegt die Zentrale für Europa in Beilstein. Rund 120 Mitglieder wohnen in Lebensgemeinschaften im Glaubenshaus Libanon am Winzerhausener Weg. Zu den Gottesdiensten kommen Menschen aus dem ganzen süddeutschen Raum. Hansjörg Hemminger schätzt die Spätregen-Mission als unabhängige protestantische Kirche ein, die trotz der inhaltlichen Nähe zur Pfingstbewegung jahrzehntelang völlig isoliert geblieben ist. Die Zahl der Mitglieder in Deutschland schätzt der Experte auf zwischen 3000 und 6000. Durch die Krisen in den vergangenen Jahren – es drohte auch schon die finanzielle Insolvenz – habe sich die Glaubensgemeinschaft aber geöffnet. „Es hat sich manches geändert und die Bereitschaft zu Reformen ist da.“