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Besuch in einer der schönsten und modernsten evangelischen Kirchen Deutschlands. Sieben Weiler haben sie realisiert.

Beilstein-Billensbach - Oh, ist das dunkel, merkt der Besucher nach Eintritt in die Johanneskirche. Zumal man vor der Tür von einem freundlich anmutenden Engel aus Mosaiksteinen ins Innere geladen wird. Das sei Absicht, sagt Stefanie Siegel, die Tochter des ehemaligen Kirchenpflegers Gerhard Siegel, der üblicherweise die Führungen hält. „Man ist woanders“, erklärt sie, man wollte die bäuerliche Arbeitsumgebung draußen lassen. Und tatsächlich: Wer sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, dem tun sich lebendige Bilder auf. Als Erstes erscheinen prächtige Glasfenster an der langen Seite entlang der schlichten Bankreihen. Sieben sind es, das ist die Zahl der Weiler aus der Umgebung, die die Kirche realisierten. Angedacht wurde sie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Etzlenswenden, Kaisersbach, Billensbach, Klingen, Maad, Jettenbach und Gagernberg wollten sich durch den Bau einer eigenen Kirche von der Muttergemeinde Beilstein absetzten. Durch die Geschichtswirren wurde das verhindert. Bis Ende der 1940er Jahre. Dann trieben Sekten gefährlich Werbung im ländlichen Raum, woraufhin die Landeskirche einen Vikar für die sieben Weiler sandte. Vikar Werner Ullrich, zusammen mit Architekt Dr. Ruff, brachte den Stein ins Rollen.

„Das Ich-bin-Wort interpretiert das Wunder, das Wunder lässt das Ich-bin-Wort geschichtlich werden“, soll Werner Ullrich zu den Fenstern erklärt haben. Tatsächlich bringen sie mit dem gläsernen Abbild der sieben Wunder aus dem Johannesevangelium den Raum zum Leuchten. Das Thema findet man im gesamten Gebäude wieder. Alles gestaltet unter dem Einfluss Stuttgarter Künstler, die während des Zweiten Weltkriegs bekannt waren. Allerdings nicht die Gestalter der Fenster. Das junge Künstlerpaar Dagmar Rohs-Schulze und Alfried Rohs waren die Einzigen, die für ihre Gestaltung bezahlt wurden.

Der Bau wurde von den Bürgern der Weiler mitfinanziert. Jede Familie gab, was sie konnte. Die Idee, jeder solle ein Schwein mästen und den Erlös spenden, verwarf man. Trotzdem las man nach der Einweihung 1956 in einem Boulevardblatt „Aus 32 Schweinen wird eine Kirche“.

Die Altarseite bildet den Höhepunkt. Zum einen durch ein Rundfenster, eingebettet in eine asymmetrische Wandbemalung. „Das ist ein Scraffito, eine besondere Putztechnik. Während der Renovierung in den 90ern wurde sie von unwissenden Handwerkern teilweise zerstört“, erklärt Stefanie Siegel. Trotzdem hat das Kunstwerk seine Faszination behalten. Und es bildet eine wunderbare Kulisse für den Altar mit einer modernen segnenden Jesus-Darstellung und sieben Kerzen. Daneben findet man einen Taufstein aus Betonguss und wird von drei abstrakt gestalteten Glasfenstern im Zeichen „Zeiten des Lebens“ flankiert, wenn man den Kirchengang zum Ausgang zurückläuft.

In den 70ern wurde gerne geheiratet im schönen Gotteshaus. Seit einem Diebstahl in den 90ern kommt man nur noch zu den Gottesdiensten hinein. Oder man genießt von Ende Juli bis Mitte September eine kostenlose Führung.