Rund 150 Besucher haben die Bürgersprechstunde von Thomas Reusch-Frey im Bürgerhaus Kelter mit großem Interesse verfolgt. Foto: Werner Kuhnle

Integrationsministerin Bilkay Öney hat im Rahmen eines Bürgergesprächs in Affalterbach zu Flüchtlingsfragen Stellung genommen.

Affalterbach - Panik hilft Niemandem. Lassen Sie sich nicht von Alarmismus und Untergangsstimmung anstecken“, war einer der Kernsätze, die die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) den rund 150 Zuhörern gestern Abend im Bürgerhaus Kelter in Affalterbach mit auf den Weg gab. Die Landespolitikerin aus dem Kabinett von Ministerpräsident Wilfried Kretschmann war als prominenter Gast zur Bürgersprechstunde gekommen, zu der der SPD-Ortsverein und der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Reusch-Frey nach Affalterbach eingeladen hatten – just in jene Gemeinde, die in Sachen Flüchtlingsunterbringung in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht hatte (wir haben berichtet).

Öney berichtete, Deutschland habe im vergangenen Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge und 500 000 Menschen aus EU-Ländern aufgenommen. Das habe bei manchen nicht nur zur Frage „Schaffen wir das“, sondern auch zur Frage „Wollen wir das“ geführt. 2015 habe es insgesamt 750 Übergriffe auf Flüchtlinge gegeben, doch nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln seien manche Menschen, die zunächst noch „refugees welcome“ gerufen hätten, auf einem ganz anderen Trip. „Solche Übergriffe sind durch nichts zu entschuldigen. Es muss alles aufgeklärt werden, und die Wahrheit muss ans Licht, auch wenn sie hässlich ist“, so Öney.

Als Landespolitikerin könne sie die Ursachen der Flüchtlingskrise nicht bekämpfen, sondern nur dafür sorgen, dass es den Flüchtlingen in den Landeserstaufnahmestellen (LEA) gut gehe. Nach ihrem Amtsantritt 2011 habe sie die LEA in Karlsruhe besucht, die damals 900 Plätze für 600 Flüchtlinge vorgehalten habe. Innerhalb eines Jahres habe man die Kapazität auf 40 000 erhöht. „Damals haben wir 4500 Flüchtlinge pro Jahr in Baden-Württemberg aufgenommen, bis zum 18. Januar 2016 waren es bereits 10 000“, stellte die Ministerin die Situation anhand von Zahlen dar. „Und derzeit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht.“

Stets habe man die Unterbringung auch mit einem Sicherheitskonzept verbunden. So würden Flüchtlinge heute unmittelbar nach dem Ausstieg aus dem Bus in einem Infosaal mit Piktogrammen und in ihrer Sprache über die wichtigsten Werte in Deutschland aufgeklärt. „Aber wenn bestimmte Rollenbilder über Jahrhunderte gewachsen sind, kann man das nicht mit ein paar Bildern und Integrationskursen aufbrechen“, sagte Öney. Sie habe stets betont, dass man die Zuwanderung drosseln müsse. „Aber selbst wenn wir die Grenzen morgen schließen, wird uns das Thema noch über Jahre beschäftigen.“

Öney plädierte dafür, statt über Kontingente zu reden, EU-weite Standards einzuführen, damit sich die Flüchtlinge in ganz Europa besser verteilen würden. „Wenn sich herumspricht, dass es in Deutschland Welcome-Pakte gibt, ist es klar, dass alle nach Deutschland wollen.“ Man müsse den Flüchtlingen aber auch klar machen, dass der Wohlstand in Deutschland über einen langen Zeitraum hart erarbeitet worden sei. Ganz ausdrücklich dankte die Ministerin allen ehrenamtlichen Helfern, die „Großartiges leisten.“

Thomas Reusch-Frey erklärte, für ihn sei die Flüchtlingshilfe eine humanitäre und christliche Aufgabe, die auf europäischer Ebene gelöst werden müsse. Pfarrer Frank Schöpe erklärte, die Kirche könne vor allem Räume anbieten, stoße aber an Grenzen. „Viele Ehrenamtliche, die mitmachen, machen vieles, können aber nicht alles tun“, mahnte er. Geschäftsführer Helmut Rikker von der Rikker Holzbau GmbH plädierte dafür, dem Handwerk nur solche Flüchtlinge anzubieten, die sich „dafür eignen und auch schaffen wollen.“ Affalterbachs Bürgermeister Steffen Döttinger warb um vernünftige Antworten der großen Politik, um die Zukunftsängste der Bürger wieder in den Griff zu kriegen.

Gundi Trentmann vom Arbeitskreis Asyl in Affalterbach erklärte, die von ihnen betreuten 13 Asylanten lebten „wie in einem Paradies“ und würden sich sicher fühlen. Dennoch sei es keinem Einzigen gelungen, eine dauerhafte Arbeitsstelle zu finden. Dies liege zum Teil am Handeln der Behörden. Die Ministerin versprach, sich die Fälle anzuschauen.