Sollte Training unter bestimmten Auflagen auch in Teamsportarten wieder möglich sein? Foto: Archiv (avanti)

Viele Sportvereine stehen in den Startlöchern, dürfen aber ihren gesellschaftlichen Auftrag nicht erfüllen.

Marbach - Seit Beginn dieser Woche sind die Schulen also zumindest zum Teil wieder geöffnet. Als Vater von zwei Töchtern in Abschlussklassen bekomme ich hautnah mit, unter welchen Bedingungen und Schwierigkeiten das abläuft. Die Abstandsregeln in den Klassenzimmern einzuhalten ist das kleinste Problem. Doch was ist mit den Pausen? Mit den teils engen Gängen? Mit den Toiletten? Aus den Berichten meiner Kinder erfahre ich, dass die Regeln kaum einzuhalten sind und oft nicht eingehalten werden.

Man versucht dennoch händeringend, an der Öffnung der Schulen festzuhalten. Okay: Es ist eine beispiellose Situation, und ich möchte nicht in der Haut der Politiker stecken, die derzeit die Entscheidungen treffen müssen. Dennoch verstehe ich eins nicht: Warum bleiben Sportanlagen, bei denen mit wesentlich weniger Aufwand die Abstands- und sonstigen Regeln locker einzuhalten wären, weiterhin geschlossen. Ja, die Schule ist sicher wichtiger als der Sport. Aber Sport ist in Sachen Gesundheit (auch und derzeit vor allem psychische Gesundheit) ebenfalls enorm wichtig und erfüllt einen nicht zu unterschätzenden gesellschaftlichen Auftrag – den die Vereine derzeit nicht erfüllen können beziehungsweise dürfen. Denn können würden viele sehr wohl, die Pläne liegen in der Schublade.

Dieser Widerspruch ist offenbar auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann aufgefallen. Noch vor der nächsten Runde zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin am Mittwoch hat er den Lenkungskreis der Landesregierung beauftragt, ab kommender Woche wieder „kontaktlosen Outdoorsport“ zu erlauben. Damit sei Sport im Freien gemeint, bei dem die Abstandsregeln unproblematisch eingehalten werden könnten – etwa wie Golf, Leichtathletik und Tennis. Es war auch schwer nachvollziehbar, warum das Corona-Virus auf einem Tennisplatz in Erdmannhausen oder Oberstenfeld ansteckender sein sollte als in Berlin oder in Mainz. Denn in der Mehrzahl der Bundesländer werden schon jetzt wieder Bälle geschlagen. Und die Leichtathleten können mit relativ wenig Aufwand einen Trainingsbetrieb in den Stadien in Steinheim oder in Murr auf die Beine stellen, der sämtliche Auflagen problemlos erfüllt. Die Infektionsgefahr dürfte unter diesen Bedingungen zudem wohl geringer sein als etwa auf dem Rundweg um die Großbottwarer Fußballplätze, auf dem sich derzeit anscheinend viele Sportler tummeln.

Doch beim Stichwort Fußball stellt sich mir die Frage: Sollte die Regelung nicht auf wesentlich mehr Sportarten ausgeweitet werden? Denn ich denke, dass auch in vielen Teamsportarten ein Training unter Auflagen wieder möglich sein sollte. Natürlich ohne direkte Zweikämpfe. Aber Techniktraining in Kleinstgruppen wäre sicher ohne Weiteres zu organisieren. Die meisten Fußball-Kids sind da viel disziplinierter als Berliner Fußballprofis. Und auch bei Hallensportarten wie Handball, Basketball oder Turnen würde man sicher Lösungen finden, die weit unproblematischer wären als der Aufwand beim Schulbetrieb oder beim Einkaufen. Abstandsregeln sind in einer 800 bis 1000 Quadratmeter großen Sporthalle wohl weitaus leichter einzuhalten als in jedem Supermarkt mit seinen Regalen und Gängen. Ich denke, viele Eltern wären froh, ihre Kinder zumindest ein- oder zweimal die Woche zum Sport schicken zu können. Ganz zu schweigen von den positiven psychischen und physischen Auswirkungen auf den Nachwuchs selbst, wenn man sich mal wieder austoben könnte oder die Mannschaftskollegen sehen würde – wenn auch nur auf Distanz.

Ich finde, wir sollten das Machbare ausreizen. Wenn die Politik zu dem Schluss kommt, dass unter bestimmten Auflagen der Schulbetrieb aufgenommen wird und Tennis oder Golf gespielt werden darf, dann wäre es doch nur logisch, auch dort den Sportbetrieb dort zuzulassen, wo diese Auflagen ebenfalls – und zum Teil noch viel zuverlässiger – erfüllt werden können. Und ich würde sogar noch weiter gehen: Ich denke, dass es über den Sport hinaus noch viele andere Bereiche gibt, für welche diese Argumente genauso greifen. Zum Beispiel in der Kultur, wo viele Menschen derzeit um ihre Existenz fürchten müssen. Vielleicht kann der Sport hier ja eine Art Türöffner sein, um sinnvolle und verantwortungsbewusste Lockerungen anzustoßen.