Bei meinen eigenen Kindern ist mir zudem aufgefallen, dass es heute für alle und alles eine Urkunde gibt. Im Vergleich zu meiner Kindheit ist es geradezu inflationär. So schön das am Anfang ist, irgendwann ist die nächste Urkunde nur ein weiteres Stück Papier – auch das habe ich bei meinen Kindern festgestellt. Ich kann mich erinnern, dass ich noch bis ins Teeniealter alle Urkunden in eine Mappe abgelegt habe, weil sie etwas Besonderes waren und es sie für besondere Leistungen gab. Mit Erstaunen habe ich vor einigen Jahren festgestellt, dass es bei den Bundesjugendspielen nicht mehr nur Ehren- und Sieger-, sondern sogar Mitmachurkunden gibt. Im Ernst? Wo war bitte meine Mitmachurkunde, als ich in der vierten Klasse in BK ein Pferd zeichnen sollte und das Ganze am Ende eher aussah wie eine Mischung aus Beagle und Aligator? Meine Lehrerin gab mir „mit drei zugedrückten Augen“ eine vier. Spätestens hier war klar, dass ich kein Künstler werden würde. Ebenso wie meine Tischnachbarin, die ein schönes Pferd zeichnete, nie eine Chance hatte, Leistungssportlerin zu werden, da sie schon beim 50-Meter-Lauf im Schnitt dreimal auf die Nase fiel. Daran hätte auch keine Mitmachurkunde etwas geändert. Kinder sollen Sport treiben und dabei Spaß haben. Doch dieser Spaß wächst nicht, indem man künstliche Erfolge kreiert. Und er nimmt ab, wenn man die guten Leistungen nicht entsprechend würdigt.