Dirk Seinitz hat von langjährigen Kunden und von Freunden aus der Rock’n-Roll-Szene Unterstützung erfahren. Foto: Werner Kuhnle

Den Murrer Dirk Seinitz plagen wie die Kollegen Existenzsorgen. Freunde haben an die 7700 Euro für ihn gesammelt, viele Kunden spendeten.

Murr - Dirk Seinitz ist ein Friseur aus Leidenschaft. Der sympathische Coiffeur muss jedoch Kamm und Schere coronabedingt ruhen lassen. „Wir haben seit dem 15.  Dezember geschlossen – seitdem plagen mich Existenzsorgen.“ Wäre nicht eine Spendenaktion von Freunden, die ihm 7700 Euro beschert hat, stünde es laut Seinitz schlecht um seine Zahlungsfähigkeit als Unternehmer.

Die Corona-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerpräsidenten hat auch die etwa 1500 Friseure im Landkreis Ludwigsburg kalt erwischt. Bereits der erste Lockdown im Frühjahr riss ein Loch in viele Betriebsbilanzen. „Ich habe dann in den Monaten danach von 7 bis 22 Uhr in meinem Geschäft gearbeitet“, erzählt Seinitz. Dem beliebten Friseur gelang so, seinen Betrieb mit zwei Angestellten auf Kurs zu halten. Doch ausgerechnet sein Fleiß wurde ihm jetzt zum Verhängnis: Weil er in der ersten Dezemberhälfte unter der 30-Prozent-Grenze des Umsatzverlustes gegenüber dem Vorjahresdezember blieb, bekomme er jetzt gar keine staatliche Unterstützung in Höhe von 75  Prozent des sonstigen Umsatzes. „Gerade zum Jahresbeginn werden neben der Miete viele Versicherungen fällig“, sagt Seinitz, den die Sorge um die Existenz um den Schlaf bringt: „Ich wache bis zu zehnmal auf und hirne.“ Schaue er sich dann die Berichte von Kollegen in den sozialen Medien an, werde ihm Angst und Bange. „Da verkauft mancher sein Auto oder gibt sein Geschäft auf.“

Mitten in die Sorge hinein kamen Kunden auf die Idee, für den Friseur Spenden zu sammeln. Mit dem CDU-Gemeinderat Giorgio Monteleone trommelte sogar ein Kommunalpolitiker für ihn. Dass inzwischen fast 190 Menschen für ihn Geld überwiesen haben, rührt den Murrer, der in der regionalen Rock’n-Roll-Szene einen Namen hat und auch von vielen Freunden und Bekannten unterstützt wurde. Für den Selfmade-Mann eine ganz neue Erfahrung: „Ich habe immer gedacht, ich schaffe alles alleine.“ Jetzt sei er unendlich dankbar, dass andere für ihn mit einer Spende einstehen. Sollte sein Friseurgeschäft überleben, werde er die Spender auf einer eingerahmten Tafel für immer im Laden ausstellen. „Es sind viele Kunden dabei, die seit Jahren kommen“, weiß Seinitz, der den Spendern nach der Corona-Pandemie mit einem Fest auf dem Murrer Dorfplatz etwas zurückgeben will.

Untätig ist der Friseurmeister aber derzeit nicht. „Ein Freund hat mir einen 450-Euro-Job als Hausmeister besorgt.“ Seinitz ist werktags von morgens bis abends unterwegs. Dass er mit dem Geld nicht weit kommt, sollten weitere staatlichen Zahlungen ausbleiben, ist ihm bewusst. Natürlich habe er als Unternehmer gewisse Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet, aber wer habe vor zwei Jahren damit rechnen können, dass die Regierungen die Friseurläden einfach schließen? Verständnis für den neuerlichen Lockdown hat Dirk Seinitz nicht: „Wir haben im Laden so viel getan für die Hygiene – den Mundschutz nach jedem Kunden gewechselt, noch mehr Abstand als vorgeschrieben im Wartebereich, und dann schließt man trotzdem: Das verstehen viele von uns nicht.“

Das Unverständnis teilt Uwe Volz, Obermeister der Friseur-Innung Stuttgart-Ludwigsburg. „Die Regierung geht mit einem großen Kamm über alle Bereiche: Es ist doch viel riskanter, sich in der S-Bahn oder im Privaten anzustecken, als im Friseurladen, wo die Kunden mit Termin und zeitlich hintereinander in den Laden kommen könnten.“ Sollte die Corona-Politik andauern, stünde es um die 3500 Friseurbetriebe – unter ihnen 45  Prozent Soloselbstständige – im Innungsgebiet trotz der staatlichen Entschädigung schlecht. „Die Stimmung kippt gerade insgesamt gewaltig. Uns Friseure fehlen 20 bis 30 Prozent in der Kasse – die Kosten laufen unvermindert weiter.“ In der Luft hängen auch die landesweit etwa 3000 Azubis am Ende ihrer Lehre. „Kaum ein Friseur wird in dieser Zeit das Risiko eingehen, einen Auszubildenden zu übernehmen.“