Familie Bosse, hier Leonie und Mutter Sonja, züchtet Wasserhunde. Die Nachfrage nach Welpen ist seit Pandemiebeginn enorm angestiegen. Foto: Werner Kuhnle

Sonja Bosse züchtet Wasserhunde. Die Nachfrage ist derzeit enorm hoch – doch die Rielingshäuserin würde niemals einen ihrer Welpen aus der Hand geben, wenn sie ahnt, dass dieser dem Besitzer nur den Lockdown erleichtern soll.

Marbach-Rielingshausen - Ein Hund kann bei Einsamkeit trösten und Lebensfreude spenden. Ein Hund kann schnöde Langeweile vertreiben. Er animiert, nach draußen an die frische Luft zu gehen und die Natur zu genießen. Ein Hund könnte demnach also für viele Menschen ein wertvoller Begleiter durch die aktuelle Pandemie sein. Das weiß auch Sonja Bosse. Und doch würde die Rielingshäuserin niemals einen ihrer Welpen aus den Händen geben wenn sie ahnt, dass der Vierbeiner seinen neuen Besitzern erst mal die langwierige Coronazeit erleichtern soll. Denn der Corona-Lockdown wird enden, der Hund aber bleiben.

„Diese Hunde brauchen eine Aufgabe“

Sonja Bosse züchtet seit 2012 Wasserhunde. Sie hat italienische Lagotto Romagnolo und französische Barbets, den Urahn des Pudels. Sie ist begeistert von diesen Hunderassen, die sich häufig auch für Allergiker eignen, und hat deshalb auch mit der Zucht begonnen. Ihre Tiere werden teilweise zu Diabetes- und Epilepsie-Spürhunden ausgebildet, einige ihrer Welpen auch zum Therapie- oder Personensuchhund. „Diese Hunde brauchen eine Aufgabe. Sie sind Arbeits-, keine Kuschelhunde“, sagt Sonja Bosse. Deshalb machen sie und ihr Mann auch keine herkömmlichen Gassirunden, sondern lassen die Hunde arbeiten – etwa beim Fährten suchen. In Italien sind die Lagotti auch als Trüffelhunde im Einsatz.

Bereits 76 Welpen haben bei ihr das Licht der Welt und einige Wochen später das verzückte Gesicht der neuen Besitzer erblickt. Auch in diesen Tagen wird sich der Zyklus wiederholen. Die Lagotto-Hündin Barisha ist läufig. „Ich fahre bald mit ihr nach Kassel zu einem Rüden.“ Die ehemalige Biotechnologin kennt sich aus mit Genetik. Deshalb weiß die Rielingshäuserin, was zu beachten ist, um Inzucht zu vermeiden. Viele Kilometer zu fahren, um den richtigen Rüden als Welpenvater zu bekommen, ist keine Seltenheit. Auslandsfahrten inklusive.

Der Hund soll als Familienmitglied gesehen werden

Barisha und die anderen Hunde stürzen zum Zaun. Ein roter VW-Bus hat dort angehalten und wird verbellt. Dabei kommen die Insassen in freundlicher Absicht: Ein Paar aus Asperg, Christine Thimmel und Bernd Baitinger, wird in gut 16 Wochen seinen Welpen abholen. Geboren ist er noch nicht. Aber als sie aussteigen, erfahren sie von Barishas Empfänglichkeit. Für die künftigen Welpeneltern ist damit ein weiterer großer Schritt hin zum neuen Familienmitglied geschafft. Acht Wochen wird die Hündin tragen, weitere acht Wochen dürfen die Welpen nach der Geburt bei ihrer Hundemama bleiben, danach ziehen sie in ihre neue Menschenfamilien.

Dass sich diese zuverlässig und hingebungsvoll um den Welpen kümmern, ist für Sonja Bosse enorm wichtig. Die neuen Besitzer sollen dem Vierbeiner gerecht werden, ihn als Familienmitglied aufnehmen. Zudem braucht es viel Zeit, den Hund zu erziehen: „Es dauert ein Jahr, bis sie soweit sind.“ Solange müsse ein Junghund toujours beaufsichtigt werden – abgegeben werden die Hunde schließlich als Babys.

Ein Hund passend zur Einrichtung?

„Im Frühjahr 2020 habe ich täglich mehrere hundert Anfragen bekommen – aus dem ganzen Land“, erinnert sich Sonja Bosse. Die Nachfrage ist seit dem Beginn der Coronapandemie sehr stark angestiegen. Und das Klientel hat sich verändert. Immer öfter hat die Züchterin den Eindruck, dass die Bewerber keine Ahnung haben, auf was sie sich einlassen, wenn sie einen Welpen holen. Teilweise habe sie sogar den Eindruck, dass Kunden den Hund passend zu ihren Möbeln aussuchen. Und sie merkt auch, wenn Interessenten standardisierte Bewerbungen schicken, die an unzählige andere Züchter gehen. Das Problem: Die Hundezüchter können seit Beginn der Coronazeit die Nachfrage nicht mehr befriedigen, selbst Tierheime sind leer wie nie. „Wir haben auch nicht mehr Welpen als vor Corona“, sagt Sonja Bosse und betont: „Wir sind keine Vermehrer, die möglichst viele Welpen ‚produzieren’.“ Sonja Bosse prüft aber nicht nur die neuen Besitzer auf Herz und Niere – auch die Welpen.

„Ich möchte nicht, dass einer meiner Hunde im Tierheim landet“

Denn sie selbst ist es, die das passende Hundebaby für den neuen Besitzer auswählt. Denn sie kennt ihre Hundekinder am Besten. „Ich mache einen Welpentest mit dem ich herausfinde, ober der Hund forsch oder zurückhaltend ist“, sagt sie. Letzteres würde zum Beispiel eher zu einer Familie mit kleinen Kindern passen. Um allen beteiligten Enttäuschungen zu ersparen, müssen die Bewerber ehrlich angeben, was sie sich von ihrem Hund erwarten und wie er leben wird. Falls es wider Erwarten doch nicht klappen sollte zwischen Mensch und Hund, nimmt Sonja Bosse den Vierbeiner wieder zurück: „Ich möchte nicht, dass einer meiner Hunde im Tierheim landet.“

Bei dem Paar aus Asperg hat Sonja Bosse aber keinerlei Bedenken. Die beiden haben Hundeerfahrung, Zeit und keine kleinen Kinder. „In den nächsten Wochen machen wir unser Haus welpensicher“, erklärt Christine Thimmel und krault Barisha. Sobald die Welpen im Alter von fünf Wochen besucht werden dürfen, wird sie „so oft wie möglich“ das „Casa Odina“ aufsuchen. Das Nebengebäude, benannt nach der Zuchtgründungshündin, ist das Zuhause aller Welpen mit Mama, sobald die neuen Besitzer zu Besuch kommen. Hier haben die Racker einen sicheren Bereich, in dem sie toben, Balance üben, Ängste überwinden lernen, unterschiedlichste Zweibeiner treffen und schließlich ihren Platz in der Welt finden.