Über das Gebiet unterhalb der Aussichtskanzel wurde im Gemeinderat kontrovers diskutiert. Foto: Werner Kuhnle

Ein praktischerer Zuschnitt der Weinberge unterhalb der Aussichtsplattform würde die Bewirtschaftung attraktiver machen, doch die Stadt müsste dafür viel Geld in die Hand nehmen. Zudem spielt auch die Gartenschau bei dem Projekt eine Rolle.

Marbach - Die Aussicht herab von der Plattform am Panoramaweg ins Neckartal und bis hinüber nach Benningen gehört mit Sicherheit zu den herrlichsten, die man in Marbach haben kann. Es ist allerdings gut möglich, dass dieser Blick schon in naher Zukunft empfindlich getrübt ist. Die Weinberge unterhalb der Kanzel sind für die Wengerter wegen des ungünstigen Zuschnitts nur schwer zu bewirtschaften, drohen deshalb aufgegeben zu werden und zu wildern. Deshalb würden sich Eigentümer und Pächter wünschen, die Parzellen praktischer zuzuschneiden und besser zu erschließen, sprich: eine Rebflurbereinigung zu machen. Doch für diese Gedankenspiele gab es jetzt im Gemeinderat keine Mehrheit, das Thema wurde vertagt – und soll erst zur Wiedervorlage kommen, wenn die Pläne für die Gartenschau auf dem Tisch liegen und man weiß, wohin die Reise rund um den Neckar gestalterisch führen soll.

Anbindung als Knackpunkt

Diese Verknüpfung zwischen dem Konzept für das Grünevent, das 2033 über die Bühne gehen soll, und der Rebflurbereinigung hatten die Freien Wähler beantragt und dann mehrheitlich auch durchbekommen. Rückendeckung erhielt die Fraktion dabei insbesondere von den Sozialdemokraten. SPD-Mann Jürgen Schmiedel hielt es für „völlig verkehrt“, im Vorgriff Beschlüsse zu fassen, die sich später eventuell nicht mit den Vorstellungen zur Gartenschau in Einklang bringen lassen. Knackpunkt war dabei vor allem die mögliche spätere Anbindung des Geländes über den Dächern von Marbach an den Bottwartalradweg. Bauamtsleiter Dieter Wanner hatte einleitend in seinem Sachvortrag erklärt, dass im Rahmen der Neuordnung der Rebflächen ein Wirtschaftsweg am Fuß des Areals mit einem Durchstich nach oben frisch angelegt werden soll. Im Hinblick auf die Gartenschau habe man im Hinterkopf, das Netz über diese neuen Trassen weiterzuknüpfen vom Radweg unten bis hoch zur Aussichtskanzel. So könne diese attraktive Anlaufstelle quasi ins Gartenschaugeschehen eingebunden werden.

Zu hohe Kosten angemahnt

Kritisch beäugt wurde bei dem Vorhaben im Gewann Berg jedoch nicht nur ein potenzieller planerischer Konflikt mit der Gartenschau, sondern auch die Kostenseite. Nach einer groben Schätzung müssten für die Rebflurbereinigung auf der 0,535 Hektar großen Fläche mehr als 500 000 Euro in die Hand genommen werden. Abzüglich von Zuschüssen und einer Eigenbeteiligung der Stücklesbesitzer hätte die Stadt noch 170 000 Euro beisteuern müssen. Eine Investition, die den Mehrwert nicht aufwiege, meinte Hendrik Lüdke von Puls, der an die angespannte Haushaltslage erinnerte.

„170 000 Euro sind in unserer jetzigen Situation wahrlich kein Pappenstiel“, pflichtete Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern bei. Allerdings habe dieses Areal eine hohe Bedeutung für die Stadt und die Landschaft. Das Kulturgut der Steillagen am Neckar müsse erhalten werden, eine Verbuschung würde den Charme schmälern. Unterm Strich standen Herzog und seine Fraktion dem Ansinnen sogar durchaus aufgeschlossen gegenüber. Die Freien Wähler forderten jedoch, dass sich die Wengerter vor einem Okay auch zunächst dazu verpflichten, die Flächen mindestens 20 Jahre zu pflegen. „Man stelle sich mal vor, wir nehmen jetzt das viele Geld in die Hand und am Ende bleibt uns auch noch die Pflege dieses Abschnittes“, sagte Herzog. Diese Befürchtung teilten offenbar die meisten Räte, sodass der entsprechende Antrag auf eine verpflichtende Bewirtschaftung als Voraussetzung für die Rebflurbereinigung bei drei Enthaltungen angenommen wurde.

Keine Garantie

Matthias Hammer, der Vorsitzende der Marbacher Weingärtner, zeigte sich zuversichtlich, dass die Winzer die Verträge unterschreiben werden. Eine Garantie könne er freilich nur für seine Familie abgeben, die in dem Areal Grundstücke besitzt. Hammer betonte jedoch, dass jeder, der dort Reben anpflanze, viel investieren müsse – was es eher unwahrscheinlich macht, die Flächen anschließend verwildern zu lassen. Der WG-Chef, der sich als Zuhörer zu Wort melden durfte, versicherte zudem, dass man noch keine Pflöcke einschlage. Man brauche jetzt lediglich eine Grobplanung, um das Projekt ins Rollen zu bringen. „Man kann diese Planung den Belangen der Gartenschau anpassen“, beteuerte er. Jürgen Waser von den Grünen trommelte ebenfalls für das Projekt. „Das ist eine exponierte Stelle mit Blick auf die Gartenschau. Das ist für unsere Bürger, die dort spazieren gehen“, sagte er. Man investiere in die Landschaft und die Ökologie. „Das ist das Eingangstor zur Stadt“, warb auch die CDU-Fraktionsvorsitzende Heike Breitenbücher für das Vorhaben. Sie mahnte, dass man nicht zu viel Zeit verlieren dürfe. Die Verbuschung schreite bei brach liegenden Weinbergen schnell voran. Brombeeren wucherten, Wurzeln beschädigten die Mauern. Doch die Mehrheit in der Runde wollte lieber auf die Bremse treten und vor den Planungen zur Gartenschau kein grünes Licht für die Rebflurbereinigung geben.