Das Impfen steht nicht nur beim Thema Corona im Fokus. Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Ärzte und Apotheken verfügen teils seit Wochen über keinen Vorrat mehr – wodurch die erhöhte Nachfrage nicht bedient werden kann. Besserung ist aber in Sicht.

Marbach - Wer in diesen Wochen beim Hausarzt einen Termin vereinbaren möchte, um sich gegen Grippe impfen zu lassen, der schaut in den meisten Fällen in die Röhre. Der Grund: Es fehlt am Impfstoff. Sowohl bei Apotheken als auch Hausärzten ist der Vorrat bereits aufgebraucht. Und die Nachlieferungen fallen bislang spärlich aus – obwohl für diesen Herbst und Winter mit 20 Millionen Impfdosen mehr für die Bundesbürger hergestellt worden war, als in den Vorjahren, in denen nach der Grippesaison sogar Millionen von Impfdosen vernichtet werden mussten. Doch was ist 2020 schon gewöhnlich?

„Seit Mitte Oktober“ ist auch bei Dr. Michael Herzog in Marbach der Vorrat aufgebraucht, obwohl er mehr bestellt hatte als sonst. Das erklärt er auf Nachfrage. „Und normalerweise beginne ich Mitte Oktober ja erst mit dem Impfen gegen Grippe“, macht der Arzt deutlich. Aufgrund der Lage mit Corona war jedoch verstärkt dazu aufgerufen worden, diese Impfung vornehmen zu lassen. Vor allem auch, um die Krankenhäuser zu entlasten.

Dr. Michael Herzog kam dem nach: Bereits im September „durchimpfte“ er das Marbacher Seniorenstift. Wenige Wochen später waren die Impfdosen aber wegen der auch sonst hohen Nachfrage aufgebraucht. „Meinen Kollegen geht es genauso“, hat er in Gesprächen erfahren. Manche hätten etwas mehr bestellt als er, manche etwas weniger. Auf dem Trockenen säßen sie nun alle – und alle hätten sie bei den Apotheken um Nachschub „regelrecht gebettelt“. Doch die können nicht weiterhelfen. „Mal kommt bei uns eine Nachlieferung von 20, mal von 30 Impfdosen an. Das passiert kleckerlesweise“, beschreibt Dr. Herzog die Situation, die er als „schlicht ungut“ bezeichnet.

Zwar sei es „gut, wichtig und richtig“, so der Marbacher Arzt, die Menschen dazu zu bringen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Es sei aber fragwürdig, wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Oktober zur Impfung aufrufe, obwohl gar nicht genug Impfstoff vorhanden ist. Und so regiere in diesem Jahr das Prinzip „den Letzten beißen die Hunde“, so Dr. Herzog weiter. Besonders betroffen seien diesmal die Privatpatienten, da sie ihren Impfstoff selbst bei der Apotheke besorgen müssten – wo sie aber eben allermeist leer ausgehen. „Bei den Kassenpatienten bin hingegen ich für den Impfstoff zuständig.“

Das Gesundheitsamt Ludwigsburg teilt mit, zum Engpass beim Grippeimpfstoff keine dezidierten Zahlen vorliegen zu haben. „Wir bekommen aber auch immer wieder Meldungen, dass es an Impfstoff mangelt“, sagt Pressesprecher Frank Wittmer. Zurückhaltender äußert sich der Hausärzteverband Baden-Württemberg, dem dieser Sachverhalt laut Pressesprecher Manfred King „bislang noch nicht bekannt“ ist. Anders als bei der Landesärztekammer, die bestätigt, dass es regional zum Engpass kommen kann. Und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe, teilte am 9. November mit, dass es Hinweise darauf gebe, dass sich deutlich mehr Menschen impfen lassen als in den Vorjahren. „Das wäre eine wichtige und erfreuliche Entwicklung und für die Impfprävention in Deutschland ein enormer Schritt nach vorn.“ Dies böte die Chance, die jährliche Grippewelle stark einzudämmen – könne aber eben auch zu Engpässen führen. Das Institut bietet daher auf seiner Webseite die Möglichkeit, dass Verbraucher, Apotheker wie auch Ärzte einen Engpass beim Grippeimpfstoff melden können. Das PEI gehe dann den Ursachen nach und setze sich für geeignete Maßnahmen ein, um Abhilfe zu schaffen, heißt es. Generell sei es aber schwierig, spontan mit einer schnellen Nachproduktion zu reagieren. „Insbesondere dann, wenn weltweit eine hohe Nachfrage besteht.“ Die Influenza-Impfstoffhersteller müssten bereits sehr früh im Jahr wissen, mit welchem Bedarf sie zu rechnen haben, so das PEI.

Immerhin: Eine Verbesserung der Situation scheint nun dennoch in größerem Maße bevorzustehen. So hat das Bundesgesundheitsministerium zwischenzeitlich sechs Millionen weitere Impfdosen beschafft. „Mit der Auslieferung wurde erst in der vergangenen Woche begonnen“, sagt PEI-Pressesprecherin Susanne Stöcker. Die Lieferung ist laut Jens Spahn portionsweise und bis in den Dezember hinein geplant. Nach Aussage von Pressesprecher Dr. Oliver Erens von der Landesärztekammer erhalten Ärzte „voraussichtlich in den nächsten Tagen Zugriff auf eine Plattform, die über in Apotheken verfügbare Impfstoffe informiert“. So soll eine möglichst gleichmäßige Verteilung gewährleistet werden. Ob davon auch in Marbach und der Region etwas zu spüren sein wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Eine Impfung, heißt es vom Sozialministerium des Landes, sei auch im Dezember oder selbst zu Beginn oder im Verlauf einer Grippewelle noch sinnvoll. Zu beachten sei allerdings, dass der vollständige Impfschutz erst nach etwa zehn bis 14 Tagen vollständig aufgebaut sei.