Katzen sind süß, werden in der Natur aber zu Jägern. Foto: free

Eine Frau hat in Oberstenfeld 30 Katzen in der freien Natur gefüttert – und damit den Artenschutz torpediert. Kommunen könnten eine Kastrationspflicht einführen.

Oberstenfeld - Drei Katzen verschwinden rasch hinter einem Gebüsch. Offenbar mögen sie Willi Leible nicht – und er sie erklärtermaßen auch nicht. Der Oberstenfelder Vogelkundler sichtet an diesem Morgen das Grundstück am Forstberg. „Die Wohnwagen dürften hier nicht stehen, es ist ein Landschaftsschutzgebiet“, erklärt er. Das kleine Areal draußen am Forstberg wirkt unbewohnt – bis auf die Katzen, und mit ihnen hat das aktive Mitglied des Oberstenfelder Naturschutzbund-Ortsverbandes so seine Probleme. „Ich habe hier im vorigen Jahr 30 bis 40  Katzen gesehen – eine Frau hat sie gefüttert.“

Das Oberstenfelder Ordnungsamt hat der unerlaubten Fütterung inzwischen einen Riegel vorgeschoben. „Das Tierheim Heilbronn hat begonnen, diese Katzen einzufangen“, teilt die Hauptamtsleiterin Diana Dubb mit. Der Bestand an wild lebenden Katzen am Forstberg sei seitdem stark gesunken. Das bestätigt Michael Meder, stellvertretender Bürgermeister und Vorstandsmitglied im Jugend- und Freizeitclub, der nebenan ein Grundstück nutzt. „Das Tierheim hat auch bei uns Lebendfallen aufgestellt, rund 25 Katzen wurden eingefangen und kastriert.“

Nachbar sieht überall kleine Schüsseln mit Katzennahrung

Laut Meder herrschte ein richtiges Chaos: „Überall standen kleine Schüsseln mit Katzennahrung herum – die Frau hatte in einem Unterstand ein Depot mit Tierfutter angelegt.“ Unerfreulich seien auch die Hinterlassenschaften der Katzen auf dem Grundstück gewesen. Das Problem gelte aber jetzt als entschärft: „Es ist besser geworden, auch lebt die Frau wohl inzwischen nicht mehr in Oberstenfeld.“

Streunende Katzen sind nicht so harmlos, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Millionen von Vögeln, Reptilien und anderen bedrohten Arten werden durch die frei laufenden Haustiere deutschlandweit getötet. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie von niederländischen Forschern müsste es eigentlich ein Ausgehverbot und eine Leinenpflicht für die räuberischen Freigänger geben. Die europaweit gültige Vogelschutz-Richtlinie verbietet im Artikel 5 das „absichtliche Stören, Töten oder Fangen von Vögeln“. Sie wird aber in vielen Ländern nicht auf Katzen angewendet, wahrscheinlich weil Politiker fürchten, damit auf Unverständnis zu stoßen. Schließlich lebt in Deutschland nach Schätzungen in jedem fünften Haushalt eine Samtpfote. Die meisten Katzenhalter sind gewohnt, ihre Tiere ganz selbstverständlich ums Haus laufen zu lassen.

Eine Leinenpflicht oder ein ständiges Ausgehverbot für Katzen lehnt auch der Marbacher Ornithologe Klaus Ruge ab. „Es wäre grotesk – eine Katze sollte artgerecht gehalten werden.“ Ruge wirbt seit Jahrzehnten mit Buchprojekten bei Kindern und Jugendlichen für Amsel, Drossel und Co. und ist im Nabu-Bundesverband aktiv gewesen. Die Katzen stuft er jedoch nicht als die eigentliche Gefahr für die bedrohten Tierarten ein. „Es ist da schon eher der Mensch, der sich mit Neubaugebieten und Straßen immer weiter in die Landschaft ausbreitet.“

Katzen als Haustiere haben mitunter ein großes Revier, das sie systematisch auf Beute absuchen. Deshalb plädieren Klaus Ruge und andere Naturschützer zumindest für Restriktionen während der Brutzeit von Mitte April bis Ende Juni oder eine gesetzlich vorgeschriebene Kastration. „Das würde die Zahl von verwilderten Katzen in Grenzen halten“, ist sich Ruge sicher, der auch verhindern will, dass die Stubentiger ihr weniger gutes Erbgut in der freien Natur etablieren und damit Wildkatzen schwächen.

Tierarzt: Katzen zu stoppen ist schwierig

Wie aber die eigene Katze maßregeln? Eine frei laufende Hauskatze umzuerziehen, hält der Marbacher Tierarzt Dr.  Ole Heinzelmann für nicht unmöglich. „Es hängt stark vom Alter und der Gewöhnung ab.“ Viele Katzen wehrten sich, indem sie ins Haus urinierten. Katzen zu stoppen ist also schwierig. Laut Heinzelmann lassen aber 80  Prozent der Katzenhalter, die seine Praxis aufsuchten, ihre Tiere wenigstens freiwillig kastrieren.

Die Kastrationspflicht für Freigänger unter den Katzen scheint kein Tabu mehr zu sein, seitdem sie die Stadt Paderborn als erste Kommune in Deutschland im Jahr 2008 eingeführt hat. In Baden-Württemberg haben bisher nur Schramberg im Schwarzwald und Berglen im Rems-Murr-kreis diesen Schritt unternommen. In beiden Gemeinden tritt die Verordnung zum 1. Januar 2020 in Kraft. „Nicht kastrierte Katzen führen zu wilden Populationen und damit stets zu Tierleid“, sagt der Berglener Bürgermeister Maximilian Friedrich. In Berglen hätten Ehrenamtliche vom Tierschutzverein Tiere gezählt – der Beschluss im Gemeinderat sei einstimmig erfolgt und werde akzeptiert.

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