Klaus Warthon Foto: Werner Kuhnle www.Kuhnle-Foto.de 0173921955

Am Samstag jährt sich auf den Tag genau der erste Corona-Fall im Kreis Ludwigsburg. Ein Mann in Benningen hatte sich infiziert.

Benningen - Genau ein Jahr ist es her, da trat der erste Corona-Fall im Kreis Ludwigsburg auf. Benningens Bürgermeister Klaus Warthon erinnert sich noch gut an die Nacht, in der er den Anruf vom Gesundheitsdezernenten erhielt. Wie sich die Welt seitdem im Ort verändert hat und wie er das Jahr mit der Pandemie sieht, darüber spricht Warthon im Interview.

In Benningen ist vor genau einem Jahr der erste Fall aufgetreten. Erinnern Sie sich noch gut an den Tag?

An den Tag werde ich mich noch in den nächsten Jahren, ja sogar Jahrzehnten erinnern. Ich hatte bereits in der Nacht die Information erhalten, habe dann aber am Morgen des 28. Februar den Anruf vom Gesundheitsdezernenten bekommen. Ich weiß noch: Als er sich mit dem Namen gemeldet hat, habe ich gleich gesagt: ‚Sie wollen mir doch nicht sagen, dass wir den ersten Corona-Fall haben.’ Doch er sagte, so sei es. In dem Moment habe ich noch gar nicht erfassen können, was sich dann im Nachgang alles ergeben hat. Jetzt sind wir ein Jahr weiter.

Wie verlief der Morgen weiter?

Klar, es war der erste Fall. Aber das Landratsamt war auf Grund der schon vorhandenen Fälle in Bayern oder im nordrhein-westfälischen Heinsberg schon darauf vorbereitet. Ich hatte gleich morgens einen Termin beim Landrat und mit dem Gesundheitsdezernenten, bei dem wir die Maßnahmen besprechen konnten. Der Landkreis hat in dem Moment also nicht erst einmal überlegen müssen, was man macht, sondern wir konnten die konkreten Schritte gleich gemeinsam angehen. Letztlich haben wir das ganze Wochenende telefoniert. Das waren bestimmt an die 30 Telefonate. Das ist natürlich heute, wo man im Landkreis in Summe rund 17 000 Fälle registrieren musste, nicht mehr vorstellbar.

Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie von weiteren Fällen in Ihrer Gemeinde erfahren?

Die Aufregung wie beim ersten Fall ist nicht mehr da. Aber ich schaue immer noch regelmäßig zwischen 16.30 Uhr und 17 Uhr auf die Zahlen und prüfe, ob es einen neuen Fall gibt. Wir sind jetzt bei 163 Infizierten, die wir in der Gemeinde hatten, Stand Mittwoch. Und ich muss wirklich sagen: Ich freue mich über jeden Tag, an dem eine Null steht und die Inzidenzzahlen nach unten gegangen sind.

Was ist nach diesem ersten Fall passiert? Wie hat sich das Leben im Ort sowie im Rathaus verändert?

Alles hat Corona zum Glück nicht verändert. Das Gemeindeleben ist nicht eingeschlafen. Über den vergangenen Sommer konnten die Vereine wenigstens ein bisschen ihren Aktivitäten nachgehen. Gerne denke ich an eine große Welle der Hilfsbereitschaft zurück, die es von vielen Menschen an ganz unterschiedlichen Orten der Gemeinde gegeben hat. Was die Arbeit im Rathaus anbetrifft, bleibt im Rückblick auf ein Jahr Corona, dass sich die Arbeitsweise ziemlich verändert hat. Es ist alleine unglaublich, wie viele Änderungen der Corona-Verordnung im Laufe des Jahres über die Bühne gegangen sind. Da reden wir von neuen Versionen mindestens alle ein bis zwei Wochen. Dazu gab es noch mehr als 40 weitere Verordnungen. Das heißt: Das Geschäft ist nicht weniger geworden, nur anders – auch, weil man das Rathaus weniger verlassen hat. Dieses ständige Umorganisieren und dazu noch das Öffnen und Schließen von öffentlichen Einrichtungen hat einen riesigen Raum eingenommen.

Was hat sich noch konkret am Arbeiten geändert im Rathaus?

Unser Bürgeramtsleiter Torsten Walter hat in diesem einen Jahr wohl am allermeisten zu organisieren gehabt, und auch die Mitarbeiterinnen im Bürgerbüro haben ihr Arbeitsfeld erweitert. Denn sie standen auch für die „Nachverfolgung“ der infizierten Personen zur Verfügung. Wir haben den Landkreis bei höheren Inzidenzzahlen immer wieder unterstützt. Aber das hat natürlich mehr Zeit benötigt als die übliche Bearbeitung von Ausweisen oder das Ausführen des Melderechts.

Was war das Prägendste für Sie in dieser Zeit?

Es hat mich überrascht, über welche Fertigkeiten wir in der Summe doch verfügen und wie schnell man das Thema Digitalisierung vorantreiben kann und halbwegs beherrschen kann – selbst ich als Verwaltungsbeamter (schmunzelt). Es ist für mich nun völlig normal, Online-Termine wahrzunehmen oder auch selbst dazu einzuladen. Da kam uns allerdings auch die Rathaussanierung 2019 zugute, bei der wir, ohne es zu wissen, schon Gerätschaften aufgebaut hatten, die uns dies erleichtert haben.

Was war für Sie positiv in dieser Zeit?

Ich schaue mir sehr gerne Statistiken an und führe sie auch. Extrem froh bin ich darüber, dass wir in Benningen meist unter dem Landkreis-Durchschnitt lagen und wir keine Hot-Spots, die man manchmal einfach nicht verhindern kann, hatten. Es hat nur einmal in der Anfangsphase eine ganze Familie getroffen, ansonsten waren fast alles Einzelfälle. Außerdem hat sich während dieser Zeit auch eine Solidarbereitschaft gezeigt. Das war für mich in den sonst ja eher schwierigen Zeiten ein positives Signal. Dass es nie zu den ganz großen Infizierten-Zahlen gekommen ist, hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung sich an die Restriktionen gehalten hat und hält, auch wenn es einem nach all den Monaten jetzt immer schwerer fällt.

Wie ist Benningen denn beim Thema Schnelltests aufgestellt?

Das ist bei uns organisiert. Seit vergangenen Montag bietet die Gemeinschaftspraxis in Benningen die Tests bereits an. Außerdem kann die Apothekerin Räumlichkeiten im Rathaus nutzen, sodass jetzt zweimal pro Woche die Lehrer und Erzieher dort ihre Schnelltests machen können.

Wie sehen die Rückmeldungen bei Ihnen in der Gemeinde zum Thema Impfen aus?

Was mich in dieser Woche positiv überrascht hat, ist, dass durch das Übrigbleiben des Impfstoffs von Astrazeneca ja auch die Reihenfolge ein Stück weit aufgeweitet wurde und sich Lehrer und Erzieher nun impfen lassen können. Da haben uns jetzt in den wenigen Stunden, seitdem klar ist, dass das geht, schon zahlreiche Erzieherinnen mitgeteilt, dass sie einen Impftermin ausmachen konnten. Es wird also in Anspruch genommen. Alles in allem bin ich aber gespannt, wie es weitergeht. Sollte das Impfen irgendwann auch vor Ort möglich sein, können wir in Benningen sofort und gerne Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.

Ein Jahr Corona in Benningen – was würden Sie sich wünschen, wie die Lage in einem weiteren Jahr ist?

Ich würde mir wünschen, dass wir in einem Jahr wieder bei der Normalität angekommen wären. Gäbe es jetzt keine Mutationen, wäre ich sogar sicher, dass es erfüllbar ist. Wir haben die Impfstoffe weit schneller zur Verfügung als erwartet. Doch die Mutationen bereiten mir Sorgen. Ich könnte mir vorstellen, dass man wegen ihnen immer wieder „nachimpfen“ muss. Dass wir in so eine Pandemie und so eine Krise geraten sind, ohne dass es weltweit irgendwelche Vorbereitungen gegeben hat, stimmt mich alles in allem aber natürlich schon etwas nachdenklich.