In der Schlacht am Waterberg und während der darauf folgenden Vertreibung in die Omaheke-Wüste waren 1904 rund zwei Drittel des Herero-Volkes gestorben (Archivfoto von 1904). Foto: dpa

Es ist ein vergessener Völkermord. In Deutschland erinnert kaum etwas an die Massaker an den Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Die Nachfahren der Opfer fordern nun Wiedergutmachung.

New York/Berlin/Windhuk - Mehr als 100 Jahre nach Ende der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia haben zwei Volksgruppen die Bundesregierung wegen Völkermordes verklagt. Die Stämme der Herero und Nama fordern finanzielle Entschädigung für die Massaker in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, wie am Donnerstag aus der in New York eingereichten Klage hervorging.

Deutschen Truppen töteten Anfang des 20. Jahrhunderts im heutigen Namibia Historikern zufolge etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama. In der Klageschrift ist von mehr als 100.000 Todesopfern die Rede.

Die Truppen von Kaiser Wilhelm II. unter Führung von Generalleutnant Lothar von Trotha gingen äußerst brutal gegen die beiden Stämme vor, die sich der deutschen Kolonialmacht widersetzten. Um Munition zu sparen, trieben deutsche Soldaten 1904/05 etwa Zehntausende Männer, Frauen und Kinder des Herero-Volks einfach in die Wüste. Sie schnitten die Fluchtwege ab und ließen die Menschen elend verdursten. Erklärtes Ziel des Militärs war es, die Stämme zu vernichten.

Die Klageschrift umfasst 22 Seiten

In der 22 Seiten lange Klageschrift werfen die Herero und Nama der deutschen Regierung auch vor, Vertreter beider Gruppen bei Verhandlungen zur Aufarbeitung der brutalen Kolonialgeschichte auszuschließen. Dies stünde den Herero und Nama nach den Grundsätzen der UN-Deklaration über die Rechte der indigenen Völker aber zu. Deutsche Kolonialherren hätten den Herero und Nama ohne Entschädigung mehr als ein Viertel ihrer Ländereien sowie ihr Vieh genommen. Außerdem hätten deutsche Kolonialherren Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen geduldet und Afrikaner als Zwangsarbeiter missbraucht.

Deutschland verhandelt derzeit mit Namibia über eine offizielle Entschuldigung und hatte die Massaker zwischen 1904 und 1908 im vorvergangenen Jahr erstmals als Völkermord bezeichnet. Eine finanzielle Entschädigung direkt an die Opfer lehnt der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Ruprecht Polenz (CDU), aber ab. Die Bundesregierung argumentiert zudem, dass Namibia seit vielen Jahren mehr Entwicklungshilfe pro Einwohner bekomme als die übrigen afrikanischen Länder.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte am Freitag in Berlin, es gebe „gute Gründe“, keine direkten Gespräche mit Vertretern der betroffenen Volksgruppen zu führen. „Wir verhandeln zwischen Regierungen, ohne dass wir dabei zivilgesellschaftliche Organisationen ausschließen würden.“

Deutschland will vermeiden, direkte Wiedergutmachungszahlungen zu leisten

Die Herero und Nama haben seit langem gefordert, direkt an den Gesprächen beteiligt zu werden und auch mit einer Klage in den USA gedroht. Sie misstrauen der vom Ovambo-Stamm dominierten Regierung in Windhuk. Die Regierung hatte sich gegen eine Klage ausgesprochen.

Deutschland will vermeiden, direkte Wiedergutmachungszahlungen zu leisten, da sonst andere historische Fälle ebenfalls wieder aufgerollt werden könnten. Sollte es jedoch eventuell unter anderer Überschrift zu einer Zahlung an Namibia kommen, dürfte es für das reiche Dutschland dabei wohl nicht um allzu große Beträge gehen. Es gibt heute schätzungsweise nur etwa 300.000 Herero und Nama in Namibia. Ihre Stammesvertreter sagen, sie wollten eventuelle Reparationen in die Entwicklung ihrer Regionen stecken. Vor allem aber wollen sie, dass Deutschland den Völkermord an ihren Ahnen eingesteht.