VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo (re.) diskutiert mit Schiedsrichter Sascha Stegemann (Mi.). Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart hat Einspruch gegen die Spielwertung beim 1:2 in Wiesbaden eingelegt. Die Erfolgsaussichten sind eher gering. Warum der Club dennoch aktiv geworden ist.

Stuttgart - Zwei Tage lang hat der VfB Stuttgart überlegt, die Argumente abgewogen, den ersten Frust vergehen lassen – und dann entschieden: Der Zweitligist legt Einspruch gegen die Spielwertung beim 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden ein. „Grund für unseren Einspruch ist, dass das Verhalten des Schiedsrichters bei der Entstehung des Siegtreffers für den SV Wehen Wiesbaden nach unserer Überzeugung einen Regelverstoß darstellt, der einen unmittelbaren Einfluss auf das Endergebnis des Spiels hatte“, sagt Sven Mislintat, der Sportdirektor des VfB.

Bei einem Eckball in der Nachspielzeit war der Ball an die Hand von VfB-Stürmer Hamadi Al Ghaddioui gesprungen. Schiedsrichter Sascha Stegemann hatte nicht gesehen und das Spiel weiterlaufen lassen. Dann kam der Einwand des Videoschiedsrichters Robert Kampka.

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Stegemann schaute sich auf dessen Vorschlag die Szene aus mehreren Perspektiven an, man hörte, wie er sagte, er könne ein Handspiel nicht erkennen. Am Ende entschied er dennoch auf Elfmeter – den der Wiesbadener Philip Tietz zum 2:1 für die Gastgeber verwandelte. Einen „Skandal“ witterte Mislintat schon am Morgen nach der Partie.

Der DFB hat einen Fehler eingeräumt

Nun also legte der VfB fristgerecht Einspruch beim Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ein. Zugute könnte dem Club dabei kommen, dass der DFB selbst die Entscheidung von Wiesbaden bereits als Fehleinschätzung bezeichnet hat. Am Montag hieß es auf Anfrage unserer Redaktion: Auf Handspiel zu entscheiden, sei regeltechnisch zwar vertretbar. Da es sich aber um keinen klaren Verstoß handelte, „erachten wir die getroffene On-Field-Review-Empfehlung des Video-Assistenten vor dem Hintergrund des Ermessensbereichs als nicht angebracht.“ Besteht also tatsächlich die Chance auf einen Erfolg des VfB am grünen Tisch? Wird die Partie womöglich wiederholt?

Trotz allem sind die Erfolgsaussichten wohl eher gering. Noch nie in der kurzen deutschen Geschichte des Videobeweises hatte ein Protest Erfolg. Dass sich der VfB dennoch für den Einspruch entschied, hat Gründe.

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Zum einen ist ein Fall samt Dialog der beteiligten Referees noch nie so gut nachzuvollziehen gewesen. Möglich machte das die Geisterspiel-Atmosphäre in der Wiesbadener Brita-Arena. Über die Außenmikrofone war deutlich zu hören, wie Schiedsrichter Stegemann das angebliche Vergehen zunächst nicht erkennen konnte. Hätte der Spielleiter auch am Ende das Handspiel nicht erkannt und der Assistent im Kölner Keller hätte entschieden, läge tatsächlich ein Regelverstoß vor.

Der Punktverlust könnte eine verheerende Wirkung haben

Zudem sah sich der VfB in der Vergangenheit immer mal wieder mit dem Vorwurf seiner Fans konfrontiert, er nehme angebliche Benachteiligungen klaglos hin. Ein bisschen Frust – dann war die Sache meist geregelt. Das lag zwar immer daran, dass der Club die Erfolgsaussichten bewertete und dann zu dem Schluss kam, am Ende keine Aussicht auf ein Urteil zu seinen Gunsten zu haben. Nun, da der Fall offener scheint, ist die Zeit beim VfB gekommen, um sein Recht zu kämpfen. Wichtig für die Fans ist dabei allerdings, dass alle Verantwortlichen die Schuld am 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden nicht komplett beim Schiedsrichter ablädt. Dafür war die Leistung des Teams viel zu wenig überzeugend – auch das hat Sven Mislintat mehrfach betont.

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Ein weiterer Punkt könnte sein: Der Zähler, der dem VfB in der siebten Minute der Nachspielzeit verloren ging, könnte in der aktuell unsicheren Lage der Liga verheerende Folgen haben. Mit diesem Punkt (für ein 1:1) läge der VfB weiter auf Platz zwei der Tabelle. Und es steht im Raum, dass nur die ersten beiden Plätze zum Aufstieg berechtigen, sollte die Saison aufgrund der Corona-Krise doch nicht zu Ende gespielt werden können. Ohne diesen Punkt ist der VfB nun erst einmal Dritter – welchen Wert der Relegationsplatz ohne Relegationsspiele haben würde, ist derzeit noch offen. Über das Abbruch-Szenario ist noch keine Entscheidung gefallen, die Clubs der ersten und zweiten Liga haben sich in dieser Frage zuletzt vertagt.

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