Michael Meder vor seiner derzeit geschlossenen Steinheimer Filiale. Foto: Werner Kuhnle

Uhrmachermeister Michael Meder aus Oberstenfeld fordert die Öffnung von kleinen Einzelhändlern.

Oberstenfeld - Michael Meder hat Zeit – im doppelten Sinne. Zum einen ist für den Oberstenfelder Juwelier und Uhrenfachhändler die Zeit das tägliche Geschäft. Zum anderen hat er gerade auch viel Zeit, da seit dem Beginn des Lockdowns am 16. Dezember seine beiden Filialen in Oberstenfeld und Steinheim nicht für den Kundenverkehr öffnen dürfen. Die drei Mitarbeiter sind allesamt in 100 Prozent Kurzarbeit. Lediglich Reparaturen darf Meder ausführen, darüber hinaus geht nur „Click & Collect“ – der Kunde wählt im Schaufenster oder Internet aus und holt die Ware nach Terminvereinbarung ab. „Mal ehrlich, das machen nur die wenigsten.“ Zumal die Unterschiede zwischen „Click & Collect“, „Click & Meet“, Einkauf mit oder ohne vorherigen Test – je nach Inzidenz – kaum noch jemand verstehe.

Zeit spielt eine große Rolle in der Gesellschaft

Dabei sieht Meder sich und seine Branche als systemrelevant an. „Ohne Zeit funktioniert unsere Gesellschaft nicht. Jeder Mensch benötigt die aktuelle Uhrzeit, ob im Arbeitsleben, beim ÖPNV oder auch zu Hause. Morgens wird man vom Wecker geweckt und geht zur Schule oder zur Arbeit“, sagt er. Mit dieser Begründung stellte Meder am 29. März per Online-Kontaktformular einen Eilantrag ans Landeswirtschaftsministerium, dass er sein Geschäft wieder öffnen darf. Am 23. April – also fast vier Wochen später – kam die Antwort. Diese fiel wenig überraschend negativ aus. „Wenngleich wir Ihre Argumente durchaus nachvollziehen können und uns der Bedeutung Ihrer Branche bewusst sind, ist hier aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens derzeit nicht mit Lockerungen oder Privilegierungen zu rechnen. Bei Betrieben, die – wie der Lebensmitteleinzelhandel – eine elementare Rolle für die Versorgung der Bevölkerung spielen, muss hingegen ein gewisses Infektionsrisiko durch die Öffnung in Kauf genommen werden, da eine Schließung aus Gründen der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs unverhältnismäßig wäre“, heißt es zur Begründung.

Ärger über große Supermärkte

Was Michael Meder daran ärgert: Während er allenfalls Reparaturen ausführen darf, werden „seine“ Produkte, also zum Beispiel Uhren, munter in den großen Supermärkten verkauft. Das Wirtschaftsministerium verweist auf Anfrage aber darauf, dass „der erlaubte Sortimentsteil mindestens 60 Prozent des realisierten Umsatzes ausmachen muss. Es wird zudem nicht mit einem verstärkten Kundenzustrom gerechnet, wenn ein Lebensmitteleinzelhändler typischerweise ein limitiertes Non-Food-Sortiment führt. Gemessen am typischen Kundenverhalten werden diese Waren in der Regel bei Gelegenheit mitgekauft.“ Doch genau hier widerspricht Meder: „Ich habe von Kunden mitbekommen, dass diese Kleidung und Schuhe mittlerweile regelmäßig im real-Markt kaufen“, sagt Meder. „Bei dieser langen Dauer des Lockdowns ist mit einer Veränderung des Kaufverhaltens zu rechnen, die Kunden orientieren sich anders.“

Kleine Läden als Retter der Nation?

Zudem werde auch verstärkt im Internet gekauft. Natürlich bei den „Big Playern“ und nicht in seinem kleinen Onlineshop. „Ich frage mich wirklich: Sollen tatsächlich Geschäfte wie meines die Nation vor Corona retten und den Pandemieverlauf nachhaltig beeinflussen?“ Während es in den Supermärkten oft zugehe wie auf einem Ameisenhaufen, sei in seinem kleinen Geschäft mit einer Verkaufsfläche unter 80 Quadratmetern ein wirklich sicheres Einkaufen viel eher möglich. „Es wäre überhaupt kein Problem, die Kundenzahl auf zwei oder drei zu begrenzen. Abstand ist dann immer noch genug, und mit dem restlichen Hygienekonzept kann eine Infektion so gut wie ausgeschlossen werden“, sagt Meder. Er fordere daher, „die sofortige Öffnung von allen Einzelhandelsgeschäften bis zu einer Verkaufsfläche von 80 Quadratmeter mit einer Begrenzung von einem Kunden pro 20 Quadratmeter“. Bei einer solch überschaubaren Größe sei auch eine funktionierende Kontrolle problemlos zu gewährleisten.

Keine Signale aus der Politik

Viel Hoffnung besteht allerdings nicht, aus der Politik kommen derzeit keine Signale in diese Richtung. Dies läge seit der „Bundesnotbremse“ auch im Kompetenzbereich der Bundesgesetzgebung, heißt es dazu aus dem Landeswirtschaftsministerium. So oder so: Für Michael Meder und viele andere Einzelhändler wird die ganze Geschichte irgendwann auch ein existenzielles Problem. „Wir haben jetzt erstmals Hilfen beantragt. Aber das sind ja alles nur Zuschüsse zu Fixkosten“, sagt er. Ein eigenes „Gehalt“ habe er seit Monaten nicht mehr. „Das zehrt unheimlich an den Rücklagen, die werden von Tag zu Tag weniger“, sagt der Oberstenfelder, dem auch das schleppende Tempo bei der Impfung Sorge bereitet. Er befürchtet, dass die Beschränkungen aufgrund der fehlenden Herdenimmunität noch mehrere Monate dauern könnten: „Dann würde es für viele Einzelhändler sehr schwer werden.“