Brot kann hier erst mal keines mehr gebacken und verkauft werden: Dieses Bäckereigebäude im Ort Dernau stand bis in den oberen Stock unter Wasser. Foto: Tina Siber

Drei Frauen aus Höpfigheim und Mundelsheim organisieren einen Transport ins Hochwassergebiet. Sach- und Geldspenden werden weiterhin entgegengenommen.

Steinheim-Höpfigheim - Das Handy von Tina Siber steht seit Tagen kaum still. Von morgens bis in die Nacht klingelt es immer wieder. Das ist für die 42-Jährige aus Höpfigheim zwar stressig, sie freut sich aber über jeden, der sich meldet. Denn am anderen Ende der Leitung sind meist Menschen, die sich ihrer Hilfsaktion anschließen möchten. Ziel ist es, die Menschen im Ahrtal, die durch das Hochwasser ihr Heim verloren haben, zu unterstützen – ob mit Sach- oder Geldspenden. Die rasant wachsende Aktion wird vorerst darin gipfeln, dass die Sachspenden am Freitag ins Krisengebiet gefahren werden.

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Darüber, dass Behörden und Hilfsorganisationen verkündeten, dass bereits genügend Sachspenden vorhanden sind, kann Tina Siber nur den Kopf schütteln. „Das ist schlichtweg falsch.“ Sie kann das gut einschätzen, weil sie aus der Region kommt, wo die Ahr in den Rhein fließt. Sie hat dort Verwandte und Freunde, lebte bis vor zehn Jahren selbst im heutigen Krisengebiet an der Grenze von Rheinland-Pfalz zu Nordrhein-Westfalen. Erst vor knapp drei Wochen verbrachte sie im Ahrtal ihren Urlaub.

Banalste Dinge werden benötigt

Sie steht also mit Menschen vor Ort in Kontakt – und weiß, was die Bewohner und Helfer benötigen. Spätestens, nachdem sie jetzt am Wochenende zum Helfen in ihrer Heimat war. Seit sie die Hilfsaktion gestartet hat, bekommt sie aus dem Ahrtal immer wieder Nachrichten aufs Handy, was benötigt wird. Es sind die banalsten Dinge wie Sonnencreme, Basecaps, Hygieneartikel, Kaffeepulver, Zahnbürsten, Besen, Arbeitshandschuhe, Grills und Grillkohle, Müllbeutel oder auch T-Shirts, damit die Helfer mal frische Klamotten überziehen können. Benötigt werden auch Plastikkisten, Kanister, Notstromaggregate und Diesel.

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Mit ihrer Aktion ist Tina Siber nicht mehr allein. Mit Stephanie Nafzger aus Mundelsheim und Kathrin Ester aus Höpfigheim bildete sich ein Trio engagierter Frauen, die sich vorher kaum gekannt haben. „Wir waren noch nie gemeinsam Kaffee trinken“, sagt die in Höpfigheim aufgewachsene Stephanie Nafzger beim Treffen mit Tina Siber lachend. „Wir holen das aber auf jeden Fall nach.“

Firmen werden um Unterstützung gebeten

Erst aber geht’s um die Hilfe. In jeder freien Minute sind die drei etwa beschäftigt, bei Betrieben anzufragen, ob diese helfen können. Ob es um Autohäuser und Speditionen für Transporter geht, um Getränkemärkte für Wasser oder Sackkarren oder um Baumärkte für Besen. Kommt eine Zusage oder eine größere Geldspende, fließen bei den Organisatoren schon mal Freudentränen. Große Dankbarkeit wird etwa spürbar bei der Nachricht, dass sich bald auch von Freiberg aus zwei vollbepackte 40-Tonner auf den Weg machen werden. „Ich kann mir einfach nicht ausmalen, was wäre, wenn es uns so treffen würde“, beschreibt Stephanie Nafzger ihre Motivation, mitzuhelfen.

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Und die Aktion trifft auf riesige Resonanz. Ein Ehepaar aus Höpfigheim hat spontan sein gefülltes Sparschwein von der Hochzeit mitgegeben. „Die Hilfe ist überwältigend“, sagt Tina Siber. Erste private Garagen sind gefüllt, sodass eine größere Lösung her musste. Ortsvorsteher Roland Heck hakte dann beim GSV Höpfigheim nach, ob die Kelter als Lager genutzt werden kann. Und das kann sie – „dankenswerterweise“, so Heck. „Selbst der Platz wird aber wohl nicht reichen“, vermutet Tina Siber aufgrund der immensen Hilfsbereitschaft. Der nächste Schritt wäre wohl, bei Landwirten nachzufragen, ob Lagerkapazität vorhanden ist.

Kinder in besonderem Fokus

„Den Menschen fehlt es einfach an allem“, so Tina Siber. Auch Lebensmittel werden benötigt, verdeutlicht Stephanie Nafzger. „Viele Läden gibt es nicht mehr. Und gibt es sie, können sie nicht beliefert werden.“ Älteren Menschen fehlten oft Medikamente oder schlicht der Gebisskleber. Besonders denkt das Orgateam auch an Kinder. Einige mussten mit Hubschraubern gerettet werden. Ein Schreibwarengeschäft in Murr versucht zu helfen, indem Spielwarenhersteller kontaktiert werden. Einige Pakete mit Spielzeug und Süßem sind geschnürt. Und wenn der Transport rollt, werden auch Bilder von Höpfigheimer Grundschülern im Gepäck sein. „Die haben sie gemalt, damit die Kinder dort etwas Kleines haben, an dem sie sich erfreuen können. Viele hier haben sogar ihr Lieblingsspielzeug mitgegeben.“

Auch für die Erwachsenen ist es schwer, das Erlebte zu verarbeiten. Tina Siber hofft, Seelsorger zu finden, die mit ins Ahrtal kommen. „Und wenn es nur dafür ist, dass die Bewohner und Helfer ihnen erzählen können.“

WIE KANN ICH HELFEN?

Sachspende
Gut zu verwendende Hilfsmittel können bis Donnerstag zur Kelter in Höpfigheim gebracht werden. Wann? Dienstag von 8.15 bis 11.30 und 17 bis 19 Uhr, Mittwoch von 8.15 bis 11.30 Uhr und 13.30 bis 15  Uhr, Donnerstag von 15 bis 21 Uhr.

Geldspende
Kleine wie größere Beträge können aufs PayPal-Konto „Flutopfer“, eingerichtet von Katrin Ester, eingezahlt werden. Das Geld wird für den Kauf von dringend Benötigtem verwendet. Über diesen Link kann eingezahlt werden. 1500  Euro sind bereits zusammengekommen. Die Organisatoren werden von jedem Kauf den Kassenzettel online in ihrer eigens eingerichteten Facebook-Gruppe aufzeigen.

Kontakt Mögliche Fragen zur Hilfsaktionen beantworten die beiden Organisatorinnen Tina Siber (01 76 / 64 70 19 85) und Stephanie Nafzger (01 63 / 4 42 95 24) gerne.