Der tragische Tod des 61-jährigen Radfahrers in der Nähe des Steinheimer Wellariums veranlasste Radfahrer, ein Ghostbike aufzustellen. Foto: Archiv (KS-Images.de/, privat)

Ein Autofahrer soll im Oktober 2018 einen Radler erfasst haben, der an den Folgen des Sturzes starb. Erst wollte der 24-Jährige seine Schuld nicht einsehen, dann nahm er aber seinen Einspruch gegen eine Geldstrafe in Höhe von 10800 zurück.

Marbach/Steinheim - Es ist ein sonniger Oktobertag um die Mittagszeit: Die Straßen sind trocken, als sich ein 61-Jähriger mit seinem Carbonrad von Steinheim aus in Richtung Höpfigheim aufmacht. Zur gleichen Zeit ist auf dieser Straße auch ein 24-Jähriger gemeinsam mit seinem Neffen im Auto in die gleiche Fahrtrichtung unterwegs. Die Begegnung endet für den Fahrradfahrer trotz Helm tödlich, der Autofahrer will seine Schuld nicht akzeptieren, und so landete der tragische Fall nun vor dem Strafgericht Marbach.

Vorausschauend zogen die an die Unfallstelle gerufenen Polizisten einen Kfz-Sachverständigen sogleich vor Ort hinzu, um den Ablauf des Geschehens möglichst genau rekonstruieren zu können. Aus sämtlichen Ermittlungsergebnissen ergab sich für die Staatsanwaltschaft ein eindeutiges Szenario. Danach erfasste das Auto kurz nach dem Freibad das Fahrrad. Dessen Fahrer wurde erst auf die Motorhaube und gegen die Frontscheibe geschleudert, bevor er über das Auto hinweg an den Straßenrand flog. Dort blieb er schwer verletzt und nicht mehr ansprechbar liegen, bis ihn ein Rettungshubschrauber in eine Klinik flog.

Der Angeklagte machte keine Angaben

Die Ermittler sahen in dem Unfall, der sich im vergangenen Jahr ereignet hat, eine fahrlässige Tötung, die laut Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet wird. Sein Handy hatte der 24-Jährige in einem relevanten Zeitfenster vor dem Unfall nicht benutzt, das ergab eine Auswertung der Polizei. Im Gerichtssaal machte der junge Mann von seinem Recht Gebrauch, keine Angaben – weder zur Sache noch zu seiner Person – machen zu müssen.

Den Polizeibeamten vor Ort jedoch hatte er Auskunft gegeben: Danach habe er lediglich seinen Neffen auf das Bad am linken Straßenrand aufmerksam gemacht, sich dann aber wieder auf die Straße konzentriert. Dort sei er mit 40 bis 50 Stundenkilometer gefahren. Er verneinte auch, von der Sonne geblendet worden zu sein. Dennoch will er den Radfahrer überhaupt nicht gesehen haben. „Der war plötzlich da“, habe ihm der junge Mann zu Protokoll gegeben, so berichtete es der Polizeibeamte nun im Gerichtssaal.

Ganz anders dagegen eine 79 Jahre alte Rentnerin, die zur gleichen Zeit an der Straße auf dem Gehweg mit ihrem Hund spazieren ging. „Mein Hund trottet gern hinter mir her, also dreh’ ich mich immer mal wieder nach ihm um und ermuntere ihn, zu kommen“, erzählte die rüstige alte Dame als Zeugin vor Gericht. Dabei sah sie den Radfahrer zügig die Straße nach Höpfigheim entlangfahren. Sie ging weiter ihres Weges, bis ein lautstarker Knall sie und den Hund zusammenschrecken ließ. „Das Bild vergesse ich nicht mehr“, sagte sie mit leiser Stimme.

Ohne nachzudenken sei sie auf die Straße gelaufen, weil weitere Autos die Straße befuhren und sie Schlimmes befürchtete.

Radfahrer war mit 15 km/h unterwegs

Berechnungen des Sachverständigen ergeben, dass der Radfahrer mit einer Geschwindigkeit von 15, der Autofahrer mit 60 Stundenkilometern unterwegs waren. Zweifelsfrei nachweisen lasse sich die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer jedoch nicht. Die kurze Zeitspanne zwischen dem Punkt, an dem die Rentnerin den Radfahrer noch auf der Straße fahren sah, und der Kollision hätte zwar nicht mehr gereicht, auch mit einer Vollbremsung den Zusammenprall zu vermeiden, ein Ausweichen über die Sperrfläche wäre aber für das Auto möglich gewesen.

Nach der Anhörung der Zeugen und dem Hinweis des Staatsanwaltes, dass er die im Strafbefehl verhängte Geldstrafe von 10 800 Euro als glimpfliche Strafe für die fahrlässige Tötung des Radfahrers hält, beriet sich der Angeklagte mit seinem Anwalt und nahm daraufhin seinen Einspruch zurück. Dadurch vermied er einen Urteilsspruch in der Marbacher Verhandlung mit einer womöglich schärferen Bestrafung.