Wenn der Status der Gemeinnützigkeit verloren geht, hat dies gravierende Folgen für die Globalisierungskritiker von Attac. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Ob Attac, die Deutsche Umwelthilfe oder andere politisch agierende Vereine – sie alle müssen sich Sorgen um ihren Fortbestand machen, wenn ihnen vor Gericht die Gemeinnützigkeit abgesprochen wird. Die Verunsicherung reicht bis in die große Koalition – und in die Finanzämter.

Stuttgart - Von dieser Pleite will sich Attac nicht stoppen lassen: Das Hessische Finanzgericht hat vorige Woche der globalisierungskritischen Organisation die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Das Urteil könnte die Finanzierung massiv erschweren. Bleibt es dabei, lassen sich Spenden an Attac nicht mehr (bis zu 45 Prozent) von der Steuer absetzen.

Das Gericht argumentierte, dass nicht alle Attac-Aktivitäten einem übergeordneten gemeinnützigen Zweck dienten. Bei einzelnen Maßnahmen und Aktionen habe der Trägerverein vorrangig konkrete politische Forderungen aufgestellt, die von den in der Satzung genannten gemeinnützigen Zwecken nicht erfasst seien. Damit folgte das Gericht der engen Rechtsauslegung des Bundesfinanzhofs, der diese Richtung 2019 vorgezeichnet hatte. Doch wird die Sache nun erneut zum Bundesfinanzhof gehen und notfalls auch vor das Verfassungsgericht, wie Attac angekündigt hat.

Scholz hat die reinen Männervereine im Visier

Das Gemeinnützigkeitsrecht beschäftigt auch die Bundespolitik. In der Union gibt es Bemühungen, der klagefreudigen Deutschen Umwelthilfe (DUH) durch Gesetzesänderungen diesen Status zu entziehen. Und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will reinen Männervereinen die mit der Gemeinnützigkeit verknüpften Steuerprivilegien wegnehmen – was speziell bei der CSU auf Widerstand trifft. Scholz wurde eine Profilierung im SPD-internen Wahlkampf vorgeworfen, doch muss er eine andere Entscheidung des Bundesfinanzhofs nachvollziehen. Dieser stufte eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte, 2017 als nicht gemeinnützig ein.

Die Grünen – die auch im baden-württembergischen Finanzministerium das Sagen haben – halten dagegen: Weil sie zivilgesellschaftliches Engagement fördern wollen und Gruppen wie Attac traditionell näherstehen, treten sie ihrerseits für eine Reform ein. Diese soll allerdings deutlich machen, dass sich gemeinnützige Organisationen auch politisch engagieren dürfen.

Radikale oder religiöse Vereine könnten profitieren

In den Finanzämtern löst die Debatte Verunsicherung aus, was zur restriktiveren Behandlung der Spenden führen werde, sagte Thomas Eigenthaler unserer Zeitung. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft begrüßt die Rechtsprechung des Hessischen Finanzgerichts. Andernfalls könnten sich, warnt er, radikale oder religiös motivierte Vereine „unter dem Mantel des Steuergeheimnisses“ sowie auf Kosten der Steuerzahler allgemeinpolitisch betätigen – während Parteien stets Transparenz beweisen müssten. Die Finanzämter hätten nicht das Personal, um all die Angaben zu überprüfen.

Der frühere Stuttgarter Finanzamtsleiter wandte sich gegen eine „Politisierung des Gemeinnützigkeitsbegriffs“. Dieser sei von allgemein- und parteipolitischer Betätigung abzugrenzen. Vorschläge, allen Vereinen prinzipiell den Gemeinnützigkeitsstatus zu gewähren und nur noch im Einzelfall zu versagen, hält er für abwegig.

Votum gegen eine „Gemeinnützigkeitsbehörde“

Speziell bei den Grünen wird zudem die Idee einer bundeseinheitlichen „Gemeinnützigkeitsbehörde“ diskutiert. Dahinter steckt der Vorwurf an die Finanzämter, sie würden die hohe Bedeutung bürgergesellschaftlichen Engagements ausblenden und deshalb Fehlentscheidungen treffen. Eigenthaler weist die pauschale Kritik zurück: Über die Gemeinnützigkeit werde „gleichmäßig“ anhand der Abgabenordnung entschieden – was gerichtlich überprüfbar sei. Der Gewerkschaftschef befürchtet, dass eine zentrale Behörde zu einem erhöhten politischen Einfluss auf das Thema führen könnte.

Den Bundesfinanzminister ermahnt er, in der Neubewertung von reinen Männervereinen nicht „mit dem Holzhammer vorzugehen“. Der Gesetzgeber müsse verbindlich klären, wo es um „steuerbegünstigte Tradition“ gehe und wo Geschlechtertrennung eine sachgrundlose Diskriminierung bedeute – im zweiten Fall müsse eine Mitfinanzierung durch die Allgemeinheit jedoch ausgeschlossen werden.