Die Wahrheit war für die Richter nicht so einfach zu bestimmen. Foto: Archiv (dpa)

Wer schuldet wem Geld? Ein 46-jähriger aus Oberstenfelder ist über diese Frage mit seinem Mieter und Mitarbeiter in Streit geraten. Der endete schließlich vor dem Amtsgericht in Marbach.

Oberstenfeld - Mit hochrotem Kopf schilderte der Angeklagte seine Sicht des Vorfalls. Dann ließ sich das Gericht die Sache auch noch einmal vom Geschädigten ausführlich berichten. Am Ende dieses Verfahrens wegen Körperverletzung zog die Strafrichterin am Amtsgericht Marbach das Fazit: „Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.“

Streit endet in handfester Rangelei

Die Staatsanwaltschaft warf einem 46-jährigen Mann aus Oberstenfeld vor, im Januar 2020 mit einem seiner Mieter zunächst eine verbale Auseinandersetzung gehabt zu haben. Der Streit um die Frage, wer wem Geld schuldete, entwickelte sich zu einer handfesten Rangelei, bei welcher der Mieter zu Boden ging und eine Schwellung an der Stirn sowie kleine Schürfwunden davontrug. Bei der aktuellen Verhandlung im Gerichtssaal sprach der Anwalt des Geschädigten als Nebenkläger von mehreren Schlägen auf den Kopf und einem abgebrochenen Zahn. Dafür legte er ein zahnärztliches Attest vor. Eine schlüssige Antwort auf seine Frage, wie man denn erst zwei Wochen nach dem Vorfall bemerken konnte, dass einem ein Zahn fehlt, erhielt der Verteidiger des Angeklagten weder vom Geschädigten selbst noch von dessen Anwalt.

Ein Fehler nach dem anderen

„Er tat mir leid, also gab ich ihm ein Zimmer und ließ ihn bei mir in der Autowerkstatt arbeiten“, erzählte der Angeklagte über den Anfang der Geschichte. Weil der gebürtige Albaner jedoch kein Wort Deutsch verstanden habe, hätte er „einen Fehler nach dem anderen gemacht“. Irgendwann reichte es dem 46-Jährigen, der seit 2016 als Selbstständiger im Kfz-Gewerbe tätig ist, und er ließ dem Bewohner mit Hilfe seines Schwiegersohnes in spe ausrichten, er sei gekündigt und habe zwei Wochen Zeit, eine neue Bleibe zu finden. Das wiederum wollte der 53-Jährige nicht hinnehmen und verlangte seinerseits einen Arbeits- und Mietvertrag sowie noch ausstehenden Lohn. „Da ist es lauter geworden“, räumte der junge Mann als Zeuge unumwunden ein. Als schließlich noch weitere Familienmitglieder sowie Bewohner des Hauses hinzukamen, sei es ihm zu viel geworden: „Ich habe die beiden weggedrückt und versucht, den Mieter zu beruhigen, der die Polizei rief.“ Den Schwiegervater in spe schickte er nach unten in seine Wohnung.

Bis zu 14 Stunden wie ein Sklave gearbeitet

Dass der 53-Jährige wohl kein einfacher Zeitgenosse ist, wurde im Gerichtssaal deutlich. Als er den eigens bestellten Dolmetscher sah, verweigerte er sich mit unsinnigen Ausflüchten. Der staatlich vereidigte Dolmetscher für die albanische Sprache klärte die Prozessbeteiligten auf: Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht, das der 53-Jährige gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber und Vermieter angestrengt hatte, habe er kurz mit der Gegenseite gesprochen. „Seither denkt er, ich sei gegen ihn.“ Erst die scharfen Worte der Richterin brachten den Geschädigten schließlich dazu, widerwillig auf die Fragen der Prozessbeteiligten zu antworten.

„Bis zu 14 Stunden habe ich wie ein Sklave für ihn gearbeitet“, erzählte der 53-Jährige. Seinen Schilderungen zufolge hielt ihn der Schwager des Angeklagten bei der Auseinandersetzung fest, der Angeklagte habe ihn mit Kopf und Faust blutig geschlagen. Die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung des Angeklagten und das Gericht machten keinen Hehl daraus, dass sie diese dramatische Version der Ereignisse für wenig glaubwürdig hielten. Richterin Ursula Ziegler-Göller beschloss daraufhin die Einstellung des Verfahrens.