Die Flächen der Benzäcker werden landwirtschaftlich genutzt – jetzt sollen sie der Industrie dienen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Der BUND-Kreisverband Ludwigsburg befürchtet, dass seine Argumente gegen den Flächenverbrauch in den Mundelsheimer Benzäckern unter den Tisch fallen.

Eine Bürgerbeteiligung sollte eigentlich ganz nach dem Geschmack des BUND sein. Doch es knirscht im Zusammenspiel des Ludwigsburger BUND-Kreisverbandes mit der Gemeinde Mundelsheim, die ihre Bewohner auf den Bürgerentscheid am 29. Mai zum umstrittenen Gewerbepark Benzäcker vorbereitet. Der BUND wirft der Verwaltung um Bürgermeister Boris Seitz vor, den Kommunikationsprozess manipulativ zu steuern: Argumente gegen den Gewerbepark würden in einer Broschüre nicht ausführlich genug dargestellt.

Warum ist das Projekt umstritten?

Ein interkommunales Industriegebiet an der Autobahn 81 war schon immer ein heißes Eisen. Ein solches Gebiet kam schon vor sieben Jahren nicht zustande. Damals hofften auch die Kommunen Großbottwar und Oberstenfeld auf ein gemeinsames Areal. Der politische Wind hat sich inzwischen jedoch gedreht. Mundelsheim möchte mit den Partnerkommunen des Gewerbegebiets auf der Ottmarsheimer Höhe, – Besigheim, Gemmrigheim, Walheim, Hessigheim und Neckarwestheim – ein rund 20 Hektar großes Gebiet entwickeln. Damit soll die Nachfrage nach gewerblichen Flächen in der Region Stuttgart bedient werden. Widerstand regt sich, weil immer mehr wertvolle Ackerflächen in der Region dem Flächenfraß zum Opfer fallen. Das letzte Wort sollen jedoch die rund 2800  Wahlberechtigten der insgesamt etwa 3350 Mundelsheimer haben.

Wie informiert die Gemeinde?

Möglichst viele Bürger informieren und erreichen möchte der Bürgermeister Boris Seitz. „Wir könnten im Gemeinderat auch einfach einen Bebauungsplan machen, den niemand anschaut“, sagt er, strebe aber bewusst eine breite Basis an. Seitz beauftragte nach dem Ratsbeschluss Ende Februar das Büro Stadtberatung Dr. Sven Fries. Zahlreiche Online-Foren, ein Gremium mit 15 Zufallsbürgern, eine Einwohnerversammlung am 6. Mai sollen die öffentliche Debatte beleben. Eine wichtige Grundlage der Information ist eine 16-seitige Broschüre, die am 29.  April an alle Haushalte verteilt wird. Die Kritik des BUND-Kreisverbands entzündet sich just an diesem Druckerzeugnis.

Was kritisiert der BUND genau?

Die Naturschützer werfen dem Bürgermeister ein Greenwashing vor. Das heißt, es werde vorgegeben, den BUND wie auch andere Verbände mit ihren Positionen zu beteiligen, letztlich würden aber wesentliche Gegenargumente nicht oder unzureichend genannt. „Wir können unsere Argumente nicht mit eigenen Worten darstellen“, sagt Stefan Flaig, Kreisvorsitzender des BUND. Das Stadtbüro habe ihn im April kurzfristig angemailt, er solle binnen weniger Tage 700 Zeichen liefern. Flaig forderte einen Entwurf der Broschüre an, um sich zu vergewissern, in welchem Rahmen sein Statement erscheinen sollte und lehnte ab. „Es ist unmöglich, mit so wenigen Worten unsere wichtigsten Gründe gegen den Gewerbepark darzustellen.“ Besonders aufgestoßen seien ihm „manipulative“ Formulierungen wie „Man darf nicht verschweigen, dass…, aber...“, wodurch der Eindruck erweckt werde, dass die Gründe gegen einen Gewerbepark weniger wert seien als die im nachfolgenden Satzteil laut Flaig ausführlicher und positiver genannten Pro-Argumente. Aus rechtlichen Gründen verweigerten Flaig und Seitz dieser Zeitung die Herausgabe der Entwürfe.

Wie reagiert der Bürgermeister?

Boris Seitz widerspricht energisch und spricht von „billigen Anschuldigungen“. Er habe sich in der Kürze der rechtlich vorgeschriebenen Frist von drei Monaten intensiv bemüht, eine breite Beteiligung zu erreichen. „Wir haben Bauernverband, Industrie- und Handelskammer, Naturfreunde, attac und andere angeschrieben – alle haben innerhalb von ein bis zwei Wochen 700 Zeichen liefern können.“ Er sei verwundert, dass der BUND vor Erscheinen der Broschüre an die Öffentlichkeit trete und vertrauliche Informationen preisgebe. Er nehme eine breite Zustimmung zur Beteiligung wahr. Die Unzufriedenheit Flaigs treffe ihn jedoch nicht unerwartet: „Es ist egal, was ich in dem Flyer gesagt hätte, es hätte ihm nicht gefallen.“ Eine Kontaktaufnahme von Februar an deuten beide unterschiedlich: Flaig vermisst die Aufforderung, sich frühzeitig positionieren zu können. Seitz gibt an, mehrfach Gespräche angeboten zu haben.

Was hätte der BUND darstellen wollen?

Der Gewerbepark sei ökologisch, aber auch volkswirtschaftlich schädlich, argumentiert der BUND-Kreisvorstand. Ökologisch, weil der Artenschwund und das Insektensterben weiter vorangetrieben würden. Das Ziel des Landesnaturschutzgesetzes, rund 15 Prozent der Landesfläche für den Biotopverbund zu nutzen, werde nicht erreicht, wenn ständig neue Flächen geopfert würden. Auch intensive Äcker dienten etwa Wildkatzen zur Wanderung. Stefan Flaig bezweifelt aber auch, dass eine „wirtschaftliche Entwicklung“ den Flächenfraß rechtfertige. „Große Unternehmen bringen ihre Fachkräfte mit, rationalisieren dabei womöglich noch und zahlen anfangs gar nicht und danach meist nur wenig Gewerbesteuer.“ Flächen an der Autobahn würden laut dem Verband Region Stuttgart und seiner WRS GmbH vor allem von Logistikfirmen gebraucht, um die Versorgung der Industrie in der Region aufrecht zu erhalten. Diese seien jedoch laut Bürgermeister Seitz nicht gewünscht. „Also: Welche Firmen sollen da kommen?“

Flaig wünscht sich eine generelle Abkehr von der Angebotsplanung, bei der Kommunen auf pure Anfrage von Unternehmen Flächen im Voraus auf der grünen Wiese schaffen, aber alleine das Risiko tragen, sollte die Firma sich an anderer Stelle ansiedeln. „Es müsste im Rahmen einer Bedarfsplanung dazu kommen, dass Unternehmen Vorverträge abschließen, um bei einem Abspringen Konventionalstrafe zahlen zu müssen.“

Warum sollte Mundelsheim trotzdem den Gewerbepark entwickeln?

Für Boris Seitz besteht in der Region ein akuter Bedarf an Gewerbeflächen. Auf den Benzäckern würde hauptsächlich Mais für die Schweinemast angebaut. Mundelsheim trage kein großes Risiko, da man im Zweckverband agiere und eine Finanzierung über die Kommunalentwicklung auf zehn Jahre zugesagt worden sei. Das Gebiet werde sich über die Bauplatzerlöse refinanzieren. Eine Angebotsplanung könne er sich nicht vorstellen, da man nicht erst planen und bauen könne, wenn ein Investor eine Fläche suche.

Wo können sich Bürger informieren?

Info-Abend
 Beim „Interkommunalen Dialog“ am Mittwoch, 27. April, um 19.30 Uhr will die Gemeinde Mundelsheim mit den Nachbargemeinden ins Gespräch kommen. Bei der Online-Veranstaltung kommen Experten zu Themen wie Zweckverband, Arbeitsplatzsicherheit oder Ökologie zu Wort. Ein Anmeldelink ist auf der Webseite der Gemeinde unter „Bürgerentscheid zu finden. Fragen sind auch vorab stellbar.

BUND-Abend
 Der BUND-Kreisverband will am Mittwoch, 11. Mai, abends im Bürgersaal informieren.