Foto: dpa

Dr. Scheel hat es nicht verdient, als Mediziner ausgeschlossen zu werden.

Steinheim - Die Empörung ist groß. Mehr als 4700 Menschen haben im Internet dagegen protestiert, dass der Steinheimer Kinderarzt Dr. Wolfgang Scheel nicht mehr als Vertragsmediziner Kassenpatienten behandeln dürfen soll. Ist der Shitstorm, der über die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hereinbricht, gerechtfertigt? Oder trägt der Kinderarzt selbst die Schuld, weil seine alternativen Behandlungsmethoden doch nicht wissenschaftlichen Standards entsprechen und er sich mit seinen Thesen zur Impfpflicht ins Abseits manövriert hat? Offenbar taugt der emotional aufwühlende Fall des Säuglings, der durch Scheels Einschätzung in Lebensgefahr geraten sein soll, als willkommener Anlass, nachzuweisen, dass der Kinderarzt nicht kompetent genug ist.

In der Tat wiegt eine ärztliche Fehleinschätzung schwer, wenn es um Leben und Tod geht. Doch die Verantwortlichen, die bei der KVBW jetzt den Stein nehmen, um ihn auf den Kinderarzt zu werfen, sollten sich bewusst sein, dass auch in der Schulmedizin Fehler passieren. Und sie sollten anerkennen, dass Dr. Wolfgang Scheel in seiner ärztlichen Laufbahn viele Kinder und ihre Eltern glücklich gemacht hat. Wir alle wissen, dass es unmenschlich wäre, nur nach Fehlern beurteilt zu werden.

Bleibt Scheels Einstellung zur Impfpflicht und zur Erkrankung als solcher. Die von der Bundesregierung eingeführte Pflicht, seine Masern-Impfung nachzuweisen, war nicht unumstritten. Wenn ein Arzt sich entschließt, wegen der Risiken nicht zu impfen, sollte man das respektieren. Die Eltern haben dann immer noch die Chance, in aller Freiheit einen anderen Arzt zu wählen. Und Scheels Einstellung zur Krankheit, die er auf seiner Homepage oft in provokativem Stil kundtut? Da mag ebenfalls jeder selbst urteilen. In einem Land der Meinungsfreiheit sollten solche Aussagen möglich sein. Natürlich gibt es Masernviren, und natürlich trägt jeder Mensch eine Disposition für Erkrankungen in sich. Aus diesen Gegenpolen jedoch in Schwarz-weiß-Manier dem Alternativmediziner Scheel einen Strick zu drehen, wäre unfair.