Für Sigrid Böhle hat die Sache auch symbolischen Charakter. Foto: Werner Kuhnle

Die Steinheimer Hebamme Sigrid Böhle hat einen Weg gefunden, Plastik aus dem Verkehr zu ziehen. Sie fertigt Behälter daraus – Körbe und Einkaufstaschen.

Sigrid Böhle häkelt gerne. Damit liegt sie zwar voll im Do-it-yourself- und Handarbeitstrend, an sich ist dieses Hobby aber nicht wirklich besonders. Ziemlich außergewöhnlich ist jedoch das Material, das sie seit Kurzem für ihre Handarbeiten verwendet. Statt Merino, Alpaka und Co. zu wärmenden Mützen zu verarbeiten, verwendet die Steinheimerin nämlich die Plastikverpackungen von Klopapierrollen oder Ikea-Möbelteilen für ihre Kunstwerke: im Netzmuster gehäkelte Einkaufstaschen oder Körbchen.

„Die Idee stammt ursprünglich von einem Kunst- und Umweltprojekt von Doris Dörrie namens ‚Meer Plastik! Häkeln für den Umweltschutz‘, erzählt sie. Bei der Mitmach-Aktion rief die Regisseurin und Autorin im April dieses Jahres zum gemeinschaftlichen Häkeln eines Meers aus Plastikmüll auf. „Und die Idee fand ich einfach genial!“, so Böhle. „Denn, obwohl ich auf dem Markt einkaufe und Verpackungen wo es nur geht vermeide, ist die Rundmüll-Tonne doch immer voll, und das kann doch nicht sein!“ Ganz genau, weil es Klopapier – um nur ein Beispiel zu nennen – eben nicht unverpackt als Meterware gibt und sich manche Folienverpackungen nur schwer umgehen lassen, stellte sich die Hebamme schon lange die Frage: „Was also tun mit dem Müll? Wie kann ich Folien einem zweiten Zweck zuführen, wenn ich sie schlichtweg nicht wegschmeißen will?“

Bereits im Sommer nutzte sie daraufhin Verpackungsstreifen dazu, ihre Tomaten- und Gurkenpflanzen anzubinden. Seitdem sie an der Technik des Streifenschneidens gefeilt hat und mittlerweile mühelos und in Windeseile circa ein Zentimeter breite Endlos-Plastikstreifen zuschneidet, macht sie mit ihren Häkelstücken nun den nächsten Schritt zur perfekten Müllverwertung. Zwischen sieben und acht Klopapierverpackungen benötigt sie für eine Einkaufstasche mittlerer Größe. Und das sind immerhin sieben oder acht Folien, die nicht nach einmaligem Gebrauch auf dem Müll landen. „Feste Maschen sorgen für einen stabilen Boden, das Material an sich ist abwaschbar und stabil“, sagt sie.

Das Häkeln selbst sei zwar nicht ganz so einfach wie mit klassischer Wolle, weil der Plastik-Faden nicht gut laufe, aber Sigrid Böhle kommt es eben auch nicht nur auf das Handarbeiten selbst und das Ergebnis ihrer Arbeit an – ihr Tun hat auch symbolischen Charakter: „Natürlich will ich damit nicht nur Ideen für eine alternative Verwendung der Folien aufzeigen, sondern auch andere wachrütteln und sensibilisieren. Vor allem Schwangeren und jungen Müttern versucht sie zum Beispiel bei der Wahl der richtigen Baby-Pflege- und Hygieneartikel auf umweltfreundliche Alternativen aufmerksam zu machen. „Viele greifen zu den klassischen Feuchttüchern, statt geviertelte Einweg-Papierwaschlappen und Wasser für den Po zu nehmen, die sich später einfach auflösen. Ganz schlimm sind auch Einweg-Wickelunterlagen mit Folienunterseite. Die haben auf dem Wickeltisch einfach nichts zu suchen, wenn es doch auch ein altes Handtuch tut. Und das kann dann ruhig auch ein ganz hässliches sein“, findet sie. „Wer dann nicht weiß, wohin mit der Windel-Verpackung, kann die ja zum Schutz gegen Nässe auch unter das Handtuch legen“, rät sie und hofft, dass darauf mehr geachtet wird und in Zukunft noch andere für den Umweltschutz häkeln.