Rund 180 Rinder leben auf dem Hof der Familie Stegmaier. Foto: KS-Images.de

Jürgen Stegmaier hält rund 180 Rinder – auf konventionelle Art, aber mit viel Wertschätzung.

Erdmannhausen - Eines steht in Erdmannhausen fest: Wer sich auf den Weg in den Schrayweg macht, der wird satt. Rund 50 Hungrige finden im Besen der Familie Stegmaier Platz. Ein Pappenstiel im Vergleich zu der Meute, die gleich nebenan jeden Tag auf Frühstück, Mittag- und Abendessen wartet: Gut 180 Rinder versorgt Landwirt Jürgen Stegmaier – und das neben dem zeitintensiven Weinbau: „Wir setzen als Gemischtbetrieb auf zwei Standbeine.“ Zusammengeführt werden diese dann untere anderem in erwähnter Besenwirtschaft, in der gut 80 Prozent des Rindfleisches der Familie verwertet wird: „Unsere Gäste fragen explizit danach und wissen die Qualität zu schätzen.“

Und diese Qualität kommt nicht von ungefähr, sondern durch die Philosophie von Stegmaier: „Dem einzelnen Tier muss es gut gehen.“ Dass das durchaus auch in der konventionellen Haltung möglich ist, zeigt ein Rundgang über den Hof. Wo sonst aber Muhen zu hören ist, herrscht an diesem Morgen Schweigen – oder vielmehr Schmatzen. Kurz zuvor ist nämlich das Frühstück serviert worden, das zum Großteil selbst angebaut wird. Insgesamt bewirtschaftet die Familie Stegmaier rund 75 Hektar. Diese teilen sich auf 25 Hektar Grünland und 50 Hektar Ackerfläche auf. Während Heu und Mais im Magen der Tiere landen, werden Weizen und Zuckerrüben verkauft. „Wir kaufen noch gentechnikfreies Rapsschrot als Eiweißquelle dazu“, führt Stegmaier aus. Die fertige Mais- und Gras-Silage lagert schließlich im Jahresvorrat in riesigen Haufen auf dem Hof. Von dort wird sie mit einem Radlader flugs in die Ställe transportiert.

„Der Radlader ist schon unsere Schlüsselmaschine“, erklärt Stegmaier, während im Hintergrund ein Jugendlicher recht flott die Maschine geschickt über den Hof manövriert. Es ist Mittwoch, an diesem Tag sind Landwirtschafts-Schüler der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg zu Besuch in Erdmannhausen, um dort auch in der Praxis ausgebildet zu werden. „Wir haben dieses Jahr wirklich tolle Lehrlinge“, lobt Stegmaier. Viele seien wie er schon mit der Landwirtschaft groß geworden. Auch Vater Horst Stegmaier hatte Schüler auf dem Hof mithelfen lassen, „nachdem damals händeringend Betriebe gesucht wurden“. Warum sich im Kreis lediglich sechs Höfe beteiligten, kann der Sohn nicht verstehen: „Es macht einfach viel Spaß mit den Jüngeren. Aber anderen ist das vielleicht auch zu viel Aufwand.“ Die Schüler sind jedenfalls mit viel Motivation dabei und versorgen die Tiere pausenlos mit Futter, Stroh und Co. Pro Tag werden so rund drei Tonnen verbraucht.

Nachdem das Frühstück serviert ist, folgt im Hofalltag ein Rundgang durch den Stall. „Die Kühe schlingen jetzt runter, was geht, dann wird sich hingelegt und in aller Ruhe wiedergekäut“, erklärt Stegmaier. Bevorzugt auf den Liegeflächen im Stall. Auch das Einstreuen von diesen ist eine der täglichen Aufgaben, die auf dem Hof anfallen. Die jüngeren Tiere stehen ganz auf Stroh und teilen sich dort den Platz heute zur Abwechslung auch mal mit einer ausgewachsenen Kuh.

„Eines der Tiere hatte Probleme mit dem Fuß und wurde umgesiedelt.“ Ein Blick auf das Bein verrät Stegmaier, dass die Schwellung etwas nachgelassen hat. Auch das ist ein wesentlicher Punkt seiner Routine: „Ein Landwirt muss ein Auge auf seine Tiere haben und kontrollieren, ob jedes davon auch gesund ist.“ Die meisten Kühe in Erdmannhausen sind Jungtiere des Gebersheimer Milchbauern Schwarz. Sie kommen mit etwa drei Monaten zu Jürgen Stegmaier und bleiben dort, bis sie zwei Jahre alt sind: „Sie gehen zurück, wenn sie vor dem ersten Kalben stehen.“ Den eigenen Milchbetrieb hat die Familie vor gut einem Jahrzehnt aufgegeben, als die Milchkrise die Preise stark fallen ließ. Die Bullen dienen dagegen der Mast. Auch besondere Rassen werden gehalten, wie solche mit Wagyū-Anteilen: „Deren Fleisch ist hervorragend.“ Die Rinder treten mit 18 Monaten ihren letzten Weg an. Und der führt sie in einem Anhänger nach Steinheim zur Metzgerei Sumser. Das geht leider nicht ganz ohne Stress: „Die Tiere merken schon, das etwas passiert und sind nervös.“ Entscheidend sei aber, dass die Wege möglichst kurz sind: „Daher ist Steinheim für mich ein echter Glücksfall.“

Diesen Dienstag ist wieder ein Bulle weggefahren worden. Sein Fleisch gibt es nun in der Besenwirtschaft wie auch bei der Metzgerei Sumser. Fällt das nicht schwer, wenn ein Tier über längere Zeit auf dem eigenen Hof gelebt hat? „Ich bin da recht pragmatisch“, verneint Jürgen Stegmaier: „Das ist mein Beruf.“ Früher, als die Tiere noch gemolken wurden, habe es schon einen engeren Bezug gegeben. Aber auch jetzt noch ist die Verbindung des Landwirts zu den Rindern durchaus sehr liebevoll geprägt.

Während des Gangs durch die Ställe streichelt er immer wieder Kühen über den Kopf – oder wird abgeschleckt: „Sie sind unheimlich neugierig.“ Einem Tier wischt er ein paar Schweißtropfen von der Nase – Kälte mögen die Rinder lieber als Hitze. „Sie erleben alle Jahreszeiten mit“, so Stegmaier. Das liegt an der Haltung in Außenklimaställen ohne Seitenwände. Die Witterung ist so auch im Stall spürbar, was dazu führt, dass es etwa Winter- und Sommerfell gibt. Zudem ist es auch für die Lunge besser, wenn frische Luft geatmet werden kann. Ein zu feuchtes Klima ist dagegen schädlich. „Ich sage immer, Licht und Luft kostet nichts, aber die Rinder profitieren davon.“ Auch was den Platz angeht, hat jeder Vierbeiner etwas mehr als gesetzlich vorgeschrieben wäre, „und einen Strick kennt hier auch keiner“.

Alles Dinge, die auch zu den Auflagen eines Bio-Hofes gehören würden. „Ich denke immer öfter über das Thema nach“, gibt Stegmaier zu. Aber noch sei er nicht so weit, da es doch einiges zu tun gäbe. So müsste das Futter in Bio-Qualität erzeugt werden. Außerdem wäre für alle Ställe ein ständig zugänglicher Außenbereich vonnöten: „Und eine reine Weidehaltung ist enorm aufwendig.“ Letztendlich müsse sich der Aufwand auch finanziell lohnen, um den Lebensunterhalt zu stemmen. Und hier gibt es einen entscheidenden Punkt, betont Jürgen Stegmaier: „Der Verbraucher hat alles in der Hand.“ Zwar ist durch den Skandal bei Fleischfabrikant Tönnies die Branche in der Diskussion, doch solange eine „Billig-Mentalität“ herrscht, sehe er nur wenig Chancen auf einen Wandel: „Ich wäre froh, wenn es mehr Wertschätzung gäbe. Es steht schließlich ein Lebewesen dahinter.“