Wer die Web-Adresse schillerstadtmarbach.de eingibt, landet nicht bei der Stadtverwaltung von Marbach. Foto: schillerstadtmarbach.de/Screenshot

Ein Tippfehler, der Folgen haben kann: Wer auf der Suche nach dem Internetauftritt der Stadt Marbach den Bindestrich weglässt, landet nicht am Neckar, sondern beim Bundesverband der AfD. Die wusste nach eigener Aussage davon bis jetzt ebenso wenig wie die Stadt Marbach. Nun wird von beiden Seiten geprüft, was man dagegen unternehmen kann.

Marbach - Was haben die Schillerstadt Marbach und die AfD miteinander gemeinsam? Nichts, sollte man meinen. Und doch wurden die beiden übers Internet miteinander verknüpft – worüber sich beide Seiten auf Anfrage alles andere als glücklich zeigen.

Die offizielle Domain Marbachs lautet www.schillerstadt-marbach.de. Vergisst man jedoch den Bindestrich, gibt also www.schillerstadtmarbach.de ein, landet man beim Internetauftritt der AfD – und zwar direkt auf der Unterseite „Mitglied werden“, also nicht auf der eigentlichen Homepage der Partei. Oben steht nach wie vor schillerstadtmarbach.de. Wirft man einen Blick auf den Quelltext der Seite, so wird deutlich, dass die AfD-Unterseite mit einem sogenannten Frame eingebettet ist. Das Problem daran: „Das könnte im Prinzip jeder machen“, so die Auskunft eines EDV-Fachmanns aus dem SWMH-Konzern, zu dem auch die Marbacher Zeitung gehört.

Entgeisterung bei der Stadtverwaltung, Verwunderung bei der AfD

Franziska Wunschik, die Erste Beigeordnete der Stadt Marbach, reagiert entgeistert, als wir sie auf das Ganze hinweisen. „Nein, das gibt es doch nicht!“ Der Sachverhalt sei der Verwaltung völlig neu, so Wunschik in der vergangenen Woche. „Das hat uns noch nie jemand gemeldet.“ Man werde das hausintern besprechen und prüfen, ob und wie man dagegen vorgehen könne.

Ein Anruf bei der Pressestelle des Bundesverbands der AfD in Berlin sorgt ebenfalls für Verwunderung. „Das muss ein Versehen sein, da hat wohl jemand uns... Danke für den Hinweis, das soll natürlich nicht so sein.“ Staunen auch beim Landesverband Baden-Württemberg. „Was ist denn da für eine Umleitung gemacht worden und vor allem, von wem?“, fragt Jürgen Ruf-Zaiss, der in der Verwaltung des Verbands arbeitet. Er werde das sofort an die Bundesgeschäftsstelle schicken, damit die sich darum kümmere. „Das geht gar nicht, so was“, meint er.

Nur der Domain-Inhaber hat Zugriff

Eine Woche später hat sich an der Situation nichts geändert. Die Domain schillerstadtmarbach.de führt nach wie vor zur AfD. Ruf-Zaiss, den wir erneut anrufen, sagt, er sei davon ausgegangen, dass sich die Sache inzwischen erledigt hätte. Allerdings ist es so, dass nur derjenige, der die Domain besitzt, daran auch etwas ändern kann. Wenn dies ein Dritter ist, haben weder die Partei noch die Stadt Marbach eine direkte Möglichkeit zur Löschung der Seite.

Seine Partei habe zunächst ein sogenanntes „URL-Hijacking“ in Betracht gezogen, also die Entführung einer URL auf eine andere Seite, sagt Ruf-Zaiss. Diese Entführung kann, vereinfacht gesagt, dazu führen, dass die eigentliche Seite im Ranking der Suchmaschinen nach unten rückt oder gar nicht mehr gefunden werden kann. Dann läge der Verdacht nahe, dass die Domain jemandem gehört, der der Partei schaden möchte.

Ebenso wahrscheinlich ist jedoch der umgekehrte Fall: dass jemand die Tatsache ausnützt, dass man versehentlich den Bindestrich vergisst. Solche Fälle gibt es immer wieder. Damit sollen Leute auf die eigene, auf Fake- oder Malware-Seiten gelockt werden. Der Verdacht, dass dies im vorliegenden Fall auch so ist, liegt insofern nahe, als man direkt auf die Seite „Mitglied werden“ geleitet wird. Dennoch ist auch dies nur Mutmaßung.

Keine einfache juristische Lösung

Rechtlich gesehen scheint ist die ganze Sache schwierig und komplex. Grundsätzlich hat jeder das Recht, eine Domain zu erwerben und mit eigenen Inhalten zu füllen oder auf andere Seiten zu verlinken. Da der Begriff „Schillerstadt Marbach“ nicht kennzeichenrechtlich geschützt ist, könnte nach Ansicht von Rechtsexperten eine Untersagung schwierig sein. Allerdings gibt es ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, vor dem sich der Freistaat Bayern erfolgreich dagegen gewehrt hat, dass in Panama ansässige Unternehmen Domains wie „regierung-oberbayern.de“ registriert haben. In diesem Fall wurde die Domain-Registrierungsstelle denic dazu verpflichtet, die Domains zu löschen. Begründung: Es handle sich um „eine sich aufdrängende Namensrechtsverletzung.“

Die Stadt Marbach jedenfalls hat umgehend ihren Datenschutzbeauftragten eingeschaltet und will nun von der denic wissen, wer der Inhaber der Domain ist. Zuletzt geändert, möglicherweise auch erst eingerichtet wurde die Seite wohl im Januar. Das hat die Stadt bereits herausgefunden. Eine Anfrage des Datenschutzbeauftragten beim AfD-Bundesverband ergab dasselbe Ergebnis wie schon die Anfrage dieser Zeitung: Man habe mit dieser Sache nichts zu tun.