Für den beliebten Arzt gingen im Februar rund 150 Patienten auf die Straße. Foto: Lichtgut (Achim Zweygarth)

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn hat die Räume des Steinheimer Kinderarztes Dr. Wolfgang Scheel durchsucht. Der Vorwurf gegen den Impfkritiker lautet, er habe falsche Bescheinigungen ausgestellt.

Die Staatsanwaltschaft in Heilbronn ermittelt gegen den  Kinderarzt  Wolfgang Scheel. Dem Mediziner aus Steinheim im Kreis Ludwigsburg  wird vorgeworfen, zugunsten von Masern-Impfgegnern unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben. Dies wäre ein Verstoß gegen den Paragrafen 278 des Strafgesetzbuches und könne mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden, erklärt Bettina Jörg, Erste Staatsanwältin in Heilbronn. Sie bestätigte, dass die Praxisräume des Arztes bei laufendem Betrieb und auch seine privaten Räume am 14. Oktober durchsucht wurden. Der Grund: Gegen Scheel lägen mehrere Strafanzeigen vor.


Den  Anlass für die Anzeigen dürfte der Fernsehbeitrag „Schutz gegen Masern? – Wie die Impfpflicht boykottiert wird“ des ZDF-Magazins „frontal 21“ im Juni   gegeben haben. Darin wurde beschrieben, wie Wolfgang Scheel einem fingierten Jungen eine Impferlassbescheinigung ausstellte, ohne das Kind jemals gesehen zu haben. 
Bereits zu Beginn des Jahres hatte Scheel um seine Zulassung als Kassenarzt kämpfen müssen. Der  wegen seiner homöopathischen Methoden umstrittene Mediziner musste sich vor dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart verantworten, weil er die Gesundheit eines Kindes durch seine Behandlung gefährdet haben sollte. Zu der Verhandlung in Möhringen erschienen damals rund 150 Anhänger des Arztes, um zu demonstrieren. Eine Internet-Petition pro Scheel hatte  9000 Unterschriften erbracht. Der Kindermediziner durfte letztlich weiter als Kassenarzt praktizieren. Impfkritische Eltern von weit her suchen bei ihm Rat.
Die Redakteure des ZDF-Magazins „frontal 21“ waren in Internetforen auf Mediziner gestoßen, die  Anleitungen mit  Mustertexten gaben, wie man am besten an eine Impfunfähigkeitsbescheinigung herankomme. Einer von ihnen war  Wolfgang Scheel. „Allerdings bot keiner so wie Dr.  Scheel Eltern eine Impfunfähigkeitsbescheinigung per Mail an, ohne das Kind untersucht oder persönlich gesehen zu haben“, teilt die frontal21-Redaktionsleiterin Ilka Brecht mit. Die Redaktion ging auf das Angebot ein, und   Scheel schickte den ZDF-Redakteuren gegen zehn Euro eine Impfunfähigkeitsbescheinigung per Post zu – für ein Kind namens Jakob, das es nicht gibt.
Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft wollte Wolfgang Scheel im Gespräch mit dieser Zeitung nicht kommentieren.  Kein Blatt vor den Mund nimmt er jedoch auf seiner Internet-Seite  in einem Beitrag, den er mit „Überraschungs-Besuch“ betitelt. Empört beschreibt er, wie zu Beginn seiner Nachmittagssprechstunde neun Personen in seine Praxis eingedrungen seien: „Staatsanwalt, Polizist, Türversperrer, Zeugen, Techniker, Suchende . . .“. Sie hätten „irgendwas“ gesucht und  auch zu ihm nach Hause gewollt.
 Als er dafür die Zeit nach seiner Sprechstunde angeboten habe, hätten ihm die Ermittler erklärt, dass sie schon mit drei Polizeiautos den Eingang zu seinem  Haus sperrten –woraufhin er schnell nach Hause gefahren sei. Dort habe er hinnehmen müssen, dass man einen Ordner konfisziert habe, den er benötigt habe, um sich auf eine erneute Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung  vorzubereiten.
Die Kassenärztliche Vereinigung hatte den „frontal21“-Bericht zum Anlass genommen, Scheel erneut nach Möhringen vorzuladen. Die Verhandlung am 21. Oktober sei nur aus formalen Gründen abgesagt worden und nehme keine Entscheidung in der Sache vorweg, teilt KV-Sprecherin Swantje Middeldorff mit. 
Trotz der Absage werden die Anhänger von Wolfgang Scheel sich am 21.  Oktober um 15 Uhr wieder  vor der Kassenärztlichen Vereinigung einfinden, kündigt die Organisatorin Christiane Werner an. „Es ist heutzutage wichtiger denn je, für unsere Kinder ein Zeichen zu setzen.“  Alle Menschen sollten das Recht auf freie Arzt- und Behandlungswahl haben. Dies würde im Fall von  Scheel verloren gehen, wenn ihm die kassenärztliche Zulassung entzogen würde. 
Laut Werner leiden immer mehr Patienten unter der Privatisierung der Ärzte. Mit einer über 50-jährigen Erfahrung als Kinder- und Jugendarzt habe  Scheel viel durch Impfungen verursachtes Leid gesehen. Daher habe er Verständnis für die Sorgen und Ängste der Patienteneltern, er nehme sie ernst und unterstütze sie.