Die Stadtmarketingverein-Vorsitzende Stefanie Grams (rechts) und ihre Stellvertreterin Annette Fiss haben viel vor in und mit Marbach. Foto: Werner Kuhnle

Das neue Führungsduo des Marbacher Stadtmarketingvereins erklärt, warum sich in Marbach gerade sehr viel bewegen lässt.

Marbach - Nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Simon Wurm und seines Stellvertreters Moritz Krohmer haben Stefanie Grams und Annette Fiss das Ruder beim Stadtmarketingverein Marbach (SSM) übernommen. Die beiden stecken voller Tatendrang, wollen eine Vernetzung der verschiedenen Akteure in der Kommune hinbekommen, haben zig Ideen für die Umgestaltung der Fußgängerzone und mahnen doch auch an, dabei den Blick auf die Gesamtstadt nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Stadtmarketingverein hat turbulente Zeiten hinter sich. Der alte Vorstand hat das Handtuch geworfen, zuletzt gab es eine Interimslösung. Warum haben Sie gesagt: Wir übernehmen die Verantwortung?

Grams: Wir beide gehören eher zu den Leuten, die lieber mitgestalten, statt nur zu meckern. Wir haben uns dann im Vorfeld der Sitzung, in der die Wahl anstand, abgesprochen und entschieden: Wir lassen uns gemeinsam aufstellen.

Fiss: In meiner Funktion bei den Weingärtnern Marbach bin ich bei der Entwicklung des neuen Tourismuskonzepts für Marbach mit im Boot. Bei der Gelegenheit wurde mir klar, dass in der Stadt gerade viele Sachen umgestaltet und angepackt werden. Und bei so viel Gestaltungsspielraum war für mich schnell klar: Hier möchte ich mitmachen und mich engagieren. Stefanie und ich haben uns dann ausgetauscht, festgestellt, dass wir in eine ähnliche Richtung denken – und kandidiert.

Grams: Wichtig war in der Tat nicht zuletzt die Erkenntnis, dass jetzt so viele Themen anstehen, die diese Stadt langfristig verändern werden. Zum einen geht es um die Sanierung der Fußgängerzone, zum anderen um die Gartenschau, um die sich Marbach im Verbund mit Benningen bekanntermaßen beworben hat. Außerdem hat mit Heike Büttner eine Citymanagerin angefangen, die sich um das Wiedererstarken der Innenstadt, aber auch die Wirtschaftsförderung kümmern soll. Nicht zu vergessen das neue Tourismuskonzept, das sich gerade in Arbeit befindet, das neue Fritz-Genkinger-Kunsthaus sowie die Erweiterungspläne für das Literaturarchiv.

Fiss: Das sind viele wichtige Themen, bei denen man gestalterisch ansetzen kann.

Die Zukunftsperspektiven sind das eine, der Istzustand etwas anderes. Viele beklagen das trostlose Erscheinungsbild der Innenstadt. Überspitzt formuliert: Glauben Sie, dass man da überhaupt noch etwas retten kann?

Fiss: Wenn ich nicht an eine positive Zukunft Marbachs glauben würde, hätte ich nicht für das Amt beim Stadtmarketingverein kandidiert. Marbach hat eine wunderschöne Altstadt mit einer attraktiven Bausubstanz. Aber wenn man durch die Fußgängerzone geht, fällt natürlich der Leerstand auf. Für uns ist der Leerstand aber nicht nur bedrückende Realität, sondern vor allem Herausforderung und Handlungsspielraum.

Grams: Wenn wir nicht handeln, wird die Innenstadt weiter vor sich hinvegetieren, werden weitere Läden verschwinden. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, einen Umschwung herbeizuführen. Wir müssen den Besuchern einen Grund geben, nach Marbach zu kommen. Hier muss man ganzheitlich denken und nicht nur den Einzelhandel und die Gastronomie stärken, sondern auch die Kultur und öffentliche Einrichtungen berücksichtigen. Also letztlich alles fördern, was es zur Belebung einer Innenstadt braucht. Es muss in einer Innenstadt der Zukunft meiner Meinung nach etwas mehr geboten sein als nur das Einkaufen.

Fiss: Wir sehen das riesige Potenzial, das in der Stadt steckt. In den Holdergassen gibt es beispielsweise wunderbare Geschäfte, die am Wochenende geöffnet haben. Diese Besonderheiten gilt es zu kommunizieren. In der Stadt leben und arbeiten viele engagierte Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen. Das ist eine kreative Kraft, von der Marbach langfristig profitieren kann. Außerdem ist die Ausgangsvoraussetzung für einen Veränderungsprozess genial: Die Stadt will eine Menge Geld in die Umgestaltung investieren. Zudem hat Marbach eine starke junge Gastronomie. Genau danach suchen Besucher. Dazu kann man die Themen Literatur mit Schiller und Naturwissenschaft mit Tobias Mayer stärker bespielen. Die Museen in der Altstadt sind ebenfalls ein Trumpf.

Grams: All das muss man nicht nur stärker herausstellen, sondern auch besser vernetzen.

Das klingt gut, aber wie lässt sich das bewerkstelligen?

Fiss: Das ist die entscheidende Frage. Wir können uns eine Art Treffpunkt und Forum für die verschiedenen Akteure vorstellen. Jetzt in der Corona-Krise natürlich virtuell, danach physisch, um ins Gespräch zu kommen, sich zu vernetzen und Ziele auszutauschen. Vielleicht entwickeln sich daraus ganz neue Kooperationen.

Haben Sie denn das Gefühl, dass alle Player sich einbringen würden?

Fiss: Das wird die Erfahrung zeigen. Im Hinblick auf den Prozess zur Umgestaltung der Innenstadt erleben wir aktuell eine große Offenheit von Vertretern der Stadt, der Fraktionen und den Architekten. Über die Möglichkeit, noch Ideen in den Planungsprozess einzubringen, haben wir uns gefreut. Auch mit Heike Büttner, der neuen Citymanagerin, stehen wir in regem Austausch.

Grams: Wir wurden bei der Innenstadtentwicklung zu konstruktiven Gesprächspartnern.

Welche Vorschläge haben Sie denn eingebracht?

Fiss: Wichtig ist uns, dass man bei der Sanierung der Innenstadt die Perspektive auf die gesamte Stadt mitdenkt, also auch den Neckar, den Bahnhof und die Schillerhöhe. Zum Beispiel im Hinblick auf ein Besucherleitsystem. Zudem sollten die Flächen in der Fußgängerzone flexibel genutzt werden können. Das gilt insbesondere für den neuen Platz zwischen den Rathäusern. Hier braucht es eine entsprechende Infrastruktur für den Markt. Es sollten aber auch kleinere Veranstaltungen wie Lesungen oder Konzerte ohne großen Vorbereitungsaufwand möglich sein. Es wäre also von Vorteil, dort entsprechende Stromanschlüsse oder Bodenhülsen für mobile Überdachungen vorzusehen. Sitzgelegenheiten für Gruppen sind für uns ebenfalls elementar. Mobiles Grün ist uns wichtig.

Grams: Im Kern ist unser Wunsch, die Gestaltung so vorzunehmen, dass wir uns nicht zu sehr einschränken. Wir wollen schließlich die Innenstadt beleben und bespielen. Wenn wir alles mit festem Mobiliar zumachen, ist das eher hinderlich. Zugleich sollte man punktuell feste Sitzgelegenheiten schaffen, zum Beispiel beim Torturm. Davon würden auch die Schüler profitieren, die wir explizit in der Stadt haben wollen. Die kommen nicht zu zweit, sondern in größeren Gruppen. Die bringen Leben in die Stadt.

Fiss: Ein wesentliches Anliegen von uns ist darüber hinaus, ein Marbach-Profil zu kreieren, um die Stadt einzigartig zu machen, also keine Elemente in die Fußgängerzone zu bringen, die völlig beliebig und austauschbar sind. Die geplante Wein-Lese-Laube beim Lugplätzle ist in der Hinsicht ein guter Anfang. Literatur, Weinbau und Naturwissenschaft sind für uns Marbach-spezifische Themen, die Niederschlag in der Innenstadt finden sollten. Aber nicht nur dort. Drei bis vier dieser Themenplätze über das Stadtgebiet verteilt, das wäre optimal. Unser Ziel ist es, die unverwechselbare Marke Marbach zu kreieren – zum Beispiel über ein Marbach-spezifisches Informationsmanagement und Zeichen – einen echten Hingucker – der das originell und unverwechselbar visualisiert.

Grams: Es geht dabei nicht nur um die Besucher, sondern auch um die Menschen, die hier leben. An digitalen Informationsstelen könnte man auch auf anstehende Veranstaltungen oder auf andere aktuelle Marbach-Themen hinweisen.

Fiss: Unser Fokus liegt auf Flexibilität. In dem Zusammenhang haben wir auch über das geplante Fontänenfeld vor dem Beran-Gebäude nachgedacht. Wir haben uns gefragt, ob man sich mit einem Fontänenfeld an dieser Stelle nicht bei zukünftigen Nutzungen des Gebäudeensembles zu stark einschränkt. Die Fläche mit dem Wasserspiel wäre dann in Zukunft besetzt und würde zum Beispiel nicht für eine neue Außengastronomie verwendet werden können – obwohl der Platz dort sehr hohe Aufenthaltsqualität besitzt. Mit Blick auf die zukünftige Stadtentwicklung und -belebung wäre das sehr bedauerlich.

Grams: Wir wollen nicht die Spielmöglichkeiten in der Marktstraße wegdiskutieren, würden uns aber in der Hinsicht eher eine Konzentration wünschen und das Fontänenfeld zum Beispiel auf den Kelterplatz verschieben. Schön fänden wir im Gegenzug, an zwei bis drei Stellen das Element Wasser sichtbar zu machen, ohne damit die Möglichkeiten für die Geschäfte zu beschneiden. Das wäre etwas weiteres, Marbach-typisches, nachdem es offenbar viele Quellen und Brunnen in der Stadt gibt.

Wenn Sie auf dem Kelterplatz die Spielangebote bündeln würden, müssten die Parkplätze dort weichen.

Fiss: Das ist so. Die Frage wird in Marbach auch heiß diskutiert. Die Erfahrung aus anderen Kommunen zeigt aber, dass Kunden weniger lange in der Innenstadt verweilen, wenn sie direkt bis vor den Eingang der Geschäfte fahren können. Außerdem schafft ein autofreies Zentrum eine sehr angenehme Atmosphäre. Kinder können sich frei bewegen, man kann die gastronomischen Angebote besser genießen, der Einzelhandel lebt. Aber klar ist, dass dann außerhalb Parkplätze geschaffen werden müssten.

Grams: Eine Option wäre eine Tiefgarage in der Grabenstraße. Da haben wir die Stadt gebeten, uns demnächst auf den neuesten Stand zu bringen, wie dazu die Überlegungen sind. Ich kann mir aber vorstellen, dass auch frische Kapazitäten am Gerberplatz von Auswärtigen angenommen würden. Der Weg von dort in die Innenstadt ist nicht weit. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass immer mehr Menschen mit dem Fahrrad in die Innenstadt kommen. Das ist dank E-Bike heutzutage auch vom Neckar her und trotz der Steigung kein Problem mehr.

Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?

Grams: Die einen wollen ihr Fahrrad direkt vor dem Laden abstellen, in dem sie einkaufen. In der Richtung sollte es also Möglichkeiten geben. Ich denke aber, dass wir uns darüber hinaus über Fahrradparkplätze Gedanken machen müssen. Es sind immer mehr hochpreisige Räder unterwegs, teilweise mit Anhängern oder auch größere Lastenräder. Insofern könnte es sinnvoll sein, zentral abschließbare Boxen oder Ähnliches anzubieten.