Normale Kläranlagen reichen oft nicht aus, um gewisse Spurenstoffe aus dem Wasser zu holen. Foto: imago/Rupert Oberhäuser

Diclofenac, Kontrastmittel, Benzotriazol: Viele Spurenstoffe können etwa über Schmerzmittel oder Geschirrspülmittel in unser Wasser gelangen. Mit neuen Methoden wollen Umweltschützer und Unternehmer den nachteiligen Auswirkungen entgegenwirken.

Diclofenac ist ein weitverbreitetes Schmerzmittel, Röntgenkontrastmittel werden bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten eingesetzt, Benzotriazol findet sich als Rostschutzmittel in Schutzanstrichen für Metalle sowie in Reinigungstabs für Geschirrspüler. Diese drei Wirkstoffe stehen stellvertretend für Tausende von Chemikalien, die der Mensch künstlich herstellt und teils schon in geringsten Konzentrationen unter anderem Lebewesen in Gewässern schaden können. Da bei diesen Stoffen die Umweltprobleme besonders augenfällig sind, wurden für sie Ende 2019 sogenannte Runde Tische eingerichtet: Im Zuge der Spurenstoffstrategie des Bundes diskutieren Fachleute aus Industrie, Wasserwirtschaft und Umweltorganisationen, wie man den Eintrag dieser Verbindungen in die Umwelt reduzieren kann.

Kontrastmittel lässt sich klar reduzieren

Derzeit kommen die Runden Tische zum Abschluss – und der ist offenbar durchaus erfolgreich: „Da hat sich eine tolle Dynamik entwickelt“, berichtete Adolf Eisenträger, vom Spurenstoffzentrum des Bundes in Dessau auf dem vierten baden-württembergischen Spurenstoffkongress, der kürzlich in Stuttgart stattfand. Die Beteiligten wollen die Runden Tische beibehalten – trotz hohen Arbeitsaufwandes. Das Interesse der Industrie dürfte wohl auch deshalb groß sein, weil sich damit ohne gesetzliche Vorgaben Erfolge für die Umwelt erreichen lassen.

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Wie das gehen kann, zeigt das Beispiel der jodhaltigen Röntgenkontrastmittel. Davon wurden in Deutschland 2019 mehr als 6000 Tonnen verkauft. Wie Studien ergaben, lässt sich ihr Eintrag in die Gewässer deutlich reduzieren, wenn der Urin von Patienten, denen diese Mittel verabreicht wurden, in Beuteln oder speziellen Toiletten getrennt gesammelt, behandelt und entsorgt wird. Dies wird in Pilotprojekten getestet.

Eine andere Möglichkeit ist, gleich bei der Herstellung anzusetzen, etwa wenn die Kontrastmittelreste, die bei der Reinigung der Produktionsanlagen anfallen, nicht einfach ins Abwasser gelangen. Das geschieht nun beim Hersteller Bipso in Singen. Dort werden die Mittel mithilfe der sogenannten Umkehrosmose aus dem Reinigungswasser herausgeholt und aufkonzentiert, berichtete Reinhard Adam, der Geschäftsführer von Bipso. Den ersten Ergebnissen zufolge lässt sich so eine Reduktion der Kontrastmittel im Abwassersystem von 93 bis 97 Prozent erreichen – das entspräche 15 bis 16 Tonnen pro Jahr, etwa die Hälfte davon ist Jod. Das solchermaßen zurückgehaltene Kontrastmittel lässt sich laut Adam zudem recyceln.

Schmerzsalbe besser abwischen statt abwaschen

Auch bei Diclofenac haben die Diskussionen und Beratungen der Fachleute bereits zu ersten Erfolgen geführt. So erläuterte Thomas Hillenbrand vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe das Ergebnis einer Studie, die vom Runden Tisch in Auftrag gegeben worden war. Weil dieser Wirkstoff zu einem erheblichen Teil in Form von Salben eingesetzt wird, lässt sich sein Eintrag in die Umwelt deutlich reduzieren, wenn die Hände nach dem Auftragen auf die Haut zunächst mit einem Papiertuch abgewischt werden, bevor man sie abwäscht. Eine Informationskampagne unter dem Motto „Wischen statt Waschen“ soll nun zu einer Verhaltensänderung bei der Anwendung dieser Salben führen.

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So notwendig es ist, Öffentlichkeit und Hersteller für die Spurenstoff-Problematik zu sensibilisieren, so deutlich wurde auf dem Stuttgarter Kongress aber auch, dass bei den Klärwerken noch mehr getan werden muss. Hier müssen in speziellen Eliminationsanlagen mithilfe von Ozon oder Aktivkohle möglichst viele dieser Spurenstoffe aus dem Abwasser geholt werden, bevor sie in Bäche und Flüsse sowie ins Grundwasser gelangen. Dabei weist zum Beispiel Rita Triebskorn vom Institut für Evolution und Ökologie der Uni Tübingen darauf hin, dass der Klimawandel zu vermehrten Trockenperioden führen und damit „eindeutig“ die Belastung der Gewässer mit Umweltchemikalien verschärfen werde. Zusammen mit dem Landesnaturschutzverband begrüßt sie daher die Vorreiterrolle von Baden-Württemberg bei der Elimination der Spurenstoffe in einer vierten Reinigungsstufe.

Neue Kläranlagen im Land

Bisher sind im Land 23 dieser Anlagen in Betrieb, weitere 25 sind im Bau oder in Planung. Eine wichtige Rolle dabei spielt das Kompetenzzentrum Spurenstoffe, das vor zehn Jahren gegründet wurde und dessen Finanzierung nun für weitere fünf Jahre gesichert ist. Wie Marie Launay, die Leiterin des Zentrums, erläuterte, will man sich nun verstärkt der Erforschung von Verfahren widmen, bei denen sich Synergieeffekte besser nutzen lassen. So kann man etwa Ozon und Aktivkohle bei der Eliminierung der Spurenstoffe kombinieren, und auch die gleichzeitige Entfernung von Spurenstoffen und Phosphor ist ein wichtiges Zukunftsthema.

Bedenkliche Spurenstoffe

Chemie
 In Europa werden derzeit rund 140 000 synthetische Stoffe eingesetzt. Dazu zählen Pflanzenschutzmittel, Medikamente, Chemikalien, Wasch- und Reinigungsmittel oder Kosmetikprodukte. Mancher dieser Verbindungen können schon in sehr geringen Konzentrationen Lebewesen schädigen.

Beseitigung
 In der normalen Kläranlage werden die Spurenstoffe gar nicht oder nur zu einem vergleichsweise geringen Teil aus dem Abwasser geholt. In einer vierten Reinigungsstufe lassen sie sich dagegen mit speziellen Verfahren unter Einsatz von Ozon oder Aktivkohle in der Regel zu mehr als 80 Prozent eliminieren.