Die Tat in der S-Bahn am 13. Mai konnte dem Angeklagten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Ein 22-Jähriger muss für drei Jahre und acht Monate in Haft, nachdem er im Mai eine Frau in der S4 zwischen Marbach und Erdmannhausen sexuell genötigt sowie zwei weitere Vergehen begangen hat. Während des Prozesses gibt es einen erneuen Zwischenfall.

Erdmannhausen - Eines war für das Gericht glasklar: „Der Tatnachweis ist ohne Zweifel geklärt. Sie sind als Täter identifiziert“, machte Richter Thomas Berkner am Donnerstag bei seiner Urteilsverkündigung vor der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Heilbronn in Richtung des 22-jährigen Angeklagten klar. Diesem war vorgeworfen worden, eine 24-Jährige aus Erdmannhausen am 13. Mai diesen Jahres in der S4 zwischen den Haltestellen Marbach und Erdmannhausen sexuell genötigt zu haben. „Das Video hat den Tatablauf und das planvolle Vorgehen gezeigt. Es erfüllt den Tatbestand der sexuellen Nötigung“, so der Richter weiter. Da der Angeklagte aus Nigeria bereits vorbestraft war, sah das Gericht eine Freiheitsstrafe von drei Jahren als erforderlich an. Weil der Mann zudem wegen zwei weiteren Vorfällen – gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung – vor Gericht stand und dafür auch verurteilt worden ist, wurde das Gesamtstrafmaß schließlich auf drei Jahre und acht Monate festgelegt. Der 22-Jährige selbst nahm das Urteil gefasst auf, nachdem er am Vormittag wieder einmal – wie bereits am ersten Prozesstag – für einen Zwischenfall gesorgt hatte.

Angeklagter hustet Schraube und Nagel aus
Der letzte Verhandlungstag war gerade gestartet und hätte mit dem erneuen Anschauen des S-Bahn-Videos starten sollen, da meldete sich der Angeklagte zu Wort und räumte anders als am Vortag ein, sich selbst doch in dem abgespielten Video erkannt zu haben. „Ich war gestern wie traumatisiert. Erst recht, als die Frau dann auch noch geweint hat. Ich muss an dem Tag in einem Zustand gewesen sein, in dem ich nicht mehr wusste, was ich tue. Denn ich habe so etwas noch nie getan“, erklärte er. Das erneute Anschauen des Videos war somit unnötig, der Gutachter war an der Reihe. Doch auf einmal fing der 22-Jährige an zu würgen und zu husten und spuckte eine Schraube und einen Nagel auf den Tisch vor ihm. Dies sorgte für kurze Aufregung und die Frage, ob man unterbrechen und einen Krankenwagen rufen solle. Nach ein paar Minuten konnte der Prozess aber weitergehen – obwohl er auch später noch einmal etwas im Mund zu haben schien und ein Justizvollzugsbeamter kurzzeitig in das Hauptgeschehen grätschen musste. Jedoch ohne Folgen.

Gezieltes Vorgehen in der S-Bahn
Der Gutachter machte im Anschluss deutlich, dass für ihn alles auf eine posttraumatische Belastungsstörung beim Beschuldigten hindeute. „Anhaltspunkte für eine Psychose gibt es nicht, aber psychisch krank ist er aus meiner Sicht schon“, so der Sachverständige, der weiter meinte: „Eine erheblich eingeschränkte Kontrollsteuerung kann ich schon sehen, weshalb ich eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen will.“ Er sagte aber auch klar zum Vorfall in der S-Bahn: „Es schien mir ein kontrolliertes und gezieltes Vorgehen mit Umschauen gewesen zu sein.“ Dieser Einschätzung schlossen sich auch der Staatsanwalt und die Anwältin der Nebenklägerin in ihren Plädoyers an.

„Diese Tat war von hinten bis vorne geplant“, meinte der Staatsanwalt und führte weiter aus: „Diese sexuelle Nötigung ist mit einer Vergewaltigung gleichzusetzen. Was diese Tat mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu tun hat, erschließt sich mir nicht.“ Deshalb forderte er auch keine Schuldminderung, sondern er hielt vier Jahre Haft für das unterste Strafmaß. Die Anwältin der Nebenklage schloss sich dieser Forderung an und betonte: „Das Video hat gezeigt, wie gewaltvoll und gezielt er gehandelt hat. Wie der Angeklagte sich während der Verhandlung dargestellt hat, zeigt, dass er ein Simulant und berechnend ist.“ Überrascht und geschockt hätte er sich am Mittwoch beim Abspielen des Videos keinesfalls gezeigt, wie er jetzt behaupte. Die Tat würde ihre Mandantin zudem nun „für immer begleiten – ebenso wie Angst und Hilflosigkeit“.

Verteidiger plädiert auf verminderte Schuldfähigkeit
Der Verteidiger des Angeklagten hielt zwei Jahre für den Vorfall in der S-Bahn und insgesamt zwei Jahre und sechs Monate für alle Vergehen für angemessen. Unter anderem, da sein Mandant ja geständig gewesen sei. Dies nahm das Gericht in seiner Urteilsverkündung auch auf. Des Weiteren kam dem Angeklagten zugute, dass man nicht ausschließen konnte, dass er in seiner Steuerungsfähigkeit und seiner Impulskontrolle eingeschränkt sein könnte. Das Gericht sprach sich deshalb für eine verminderte Schuldfähigkeit aus, was das Strafmaß minderte. Eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung stand im Übrigen nie zur Debatte. „Der Angeklagte hat sicher psychische Probleme, aber diese können auch im Regelvollzug behandelt werden“, erklärte Richter Thomas Berkner abschließend.

Mitangeklagte werden ebenfalls verurteilt
Die zwei anderen in diesem Prozess angeklagten Männer – wie der Hauptangeklagte ebenfalls Geflüchtete – im Alter von 30 und 35 Jahren wurden für einen Vorfall in einer Asylunterkunft in Bietigheim-Bissingen am 15. August 2019 ebenfalls verurteilt. Gemeinsam mit dem Hauptangeklagten sollen sie am Tattag einem anderen Mann Bargeld und sein Mobiltelefon abgenommen und diesen über einen gewissen Zeitraum in einem Zimmer festgehalten haben.

Der 30-Jährige erhielt wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der 35-Jährige muss wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro zahlen.

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