Beständig in Gefahr: Atticus (Jonathan Majors) und Letitia (Jurnee Smollett) Foto: HBO

Die USA in den 50er Jahren: Afroamerikaner sind Bürger mit weniger Rechten, mancherorts sind sie Freiwild. Die Serie „Lovecraft Country“ erzählt vom realen Rassismus mit Motiven aus dem Horrorarsenal. Schwarze Helden kämpfen mit irdischen und jenseitigen Gewalten.

Stuttgart - Ratgeber für die sichere Autofahrt geben alle dieselben Tipps. Den Wagen nicht überladen, den Rückspiegel freilassen, den Reifendruck prüfen. Nur der „Safe Negro Travel Guide“ enthält andere Ratschläge. Er nennt die Orte, an denen Afroamerikaner auf Reisen in ihrem Heimatland einkehren können, ohne schikaniert, verhaftet, verprügelt oder gar gelyncht zu werden.

Ab in die Schrottpresse

Die HBO-Serie „Lovecraft Country“ führt uns in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Den speziellen Reiseführer muss sie sich nicht ausdenken, es gab ihn tatsächlich, denn es gab den drängenden Bedarf. „The Negro Motorist Green Book“ hieß er, auch der mit drei Oscars ausgezeichnete Film „Green Book“ von Peter Farrelly hat davon erzählt.

Aber „Lovecraft Country“ ist mit „Green Book“ nur so verwandt wie eine Schrottpresse mit einer Zuckerzange. Die auf einem Roman des weißen US-Autors Matt Ruff basierende Serie will nicht zupacken, sondern zermalmen. Der Rassismus, an dessen verstecktere Formen man sich so gefährlich schnell gewöhnen kann, soll sein wahres Inneres freigeben, seine ganze Bosheit. Es geht um Höllenmächte, um Hexerei, um Menschenverachtung in ihrer quasireligiösen Form.

Ein weißer Geheimbund

Der Herausgeber des „Safe Negro Travel Guide“ ist – auf Reisen – verschwunden. Sein Sohn, ein frisch ins Zivilleben zurückkehrender Kriegsveteran, macht sich mit zwei Begleitern auf die Suche nach ihm. Sie landen in einer beschaulichen Provinz, in der die Polizei schwarze Bürger behandeln darf wie Pestratten im Mittelalter, und stoßen auf einen wahnwitzigen weißen Geheimbund.

„Lovecraft Country“, dieser Titel weist auf einen der einflussreichsten Horrorautoren überhaupt, auf den Sonderling Howard Phillips Lovecraft (1890-1937). In dessen Kosmos warten uralte, monströse Götter auf eine Chance, in unsere Welt zurückzukehren. Wer einer der Ritzen zu nahe kommt, durch die das verbannte Böse in irdische Sphären herüberflackern kann, dem steht Furchtbares bevor.

Gequälte Geister

Atticus (Jonathan Majors), Letitia (Jurnee Smollett), Montrose (Michael Kenneth Williams) und andere Figuren geraten an brüchige Stellen zwischen dem Irdischen und dem Unterirdischen. Der Rassismus erscheint da erstens wie der Vorbote einer scheußlichen Macht und zweitens als Erschwernis im Kampf gegen sie. Der bittere Witz an der Sache: Lovecraft, von dem hier Motive geborgt werden, war selbst ein verbohrter Rassist.

Die vom Bezahlsender und Streamingdienst Sky bislang nur im Original, ab Freitag aber auch in deutscher Synchronisation angebotene Serie schafft es immer wieder, die Mittel des Fantastischen symbolkräftig zu nutzen. Letitia etwa kann sich zeitweise in eine weiße Frau verwandeln und eine ganz andere Seite der Gesellschaft kennenlernen. In einem durchspukten Haus müssen die gequälten Geister schwarzer Opfer aufmarschieren, um das grässliche Gespenst ihres weißen Peinigers endlich auszutreiben.

Serie mit Problemen

Aber „Lovecraft Country“ hat auch Probleme. Die Showrunnerin Misha Green („Underground“) schafft es nicht, die Bilder vom Alltag der 50er mit den Horrorpassagen zu verschmelzen, die Folgen zerfallen immer wieder in Einzelteile. Hektik wechselt sich ab mit zähen Wiederholungen, und mehr als einmal werden die Figuren sehr unglaubhaft ins Naive, Impulsive, Unbedachte umgebogen, weil der Plot das gerade braucht.

Mit „Watchmen“, der anderen großen Serie, die fantastische Verfremdung, Comicmotive und reale afroamerikanische Historie verquickt, wird „Lovecraft Country“ oft verglichen. Doch „Watchmen“ ist eleganter, klüger, spannender und überraschender. Trotz der Schwächen aber bleibt auch „Lovecraft Country“ ein interessanter Beitrag zur Serienunterhaltung der Black-Lives-Matter-Ära. Die schwarze Perspektive auf Amerika ist eine bitter andere als die weiße, macht jede Folge zumindest in ein paar Szenen klar.

Verfügbarkeit: auf den diversen Skykanälen, etwa bei Skyticket.de. Alle 10 Folgen bereits abrufbar.