Salvatore Glietti (gelbes Trikot) erfuhr 2014 aus der Zeitung, dass der GSV Pleidelsheim in der folgenden Saison nicht mehr mit ihm plant. Foto: Archiv (avanti)

Wie ein kleines Versehen meine Arbeitsweise veränderte.

Marbach - Respekt muss man sich verdienen – sagt zumindest der Volksmund. Ich sehe das ein wenig anders. Ich finde, dass jeder Mensch grundsätzlich meinen Respekt verdient – was man übrigens nicht mit Hochachtung verwechseln sollte. Meine Hochachtung bekommen Mitmenschen für besondere Leistungen, meinen Respekt hat jeder – es sei denn, er verliert ihn aufgrund seines Verhaltens. In meinem Beruf ist Respekt eines der wichtigsten Dinge. Der Respekt vor der Privatsphäre zum Beispiel. Wir Journalisten müssen aufpassen, dass wir da nicht zu weit gehen. Und wir müssen auch respektieren, dass wir manchmal Dinge von Menschen erfahren, die wir eben nicht oder noch nicht schreiben dürfen. Wenn mir jemand etwas „im Vertrauen“ erzählt, dann habe ich als Journalist das gefälligst zu respektieren.

Ich habe diese Grundregel meines Wissens nur einmal gebrochen – und das versehentlich. Es war nur eine kleine Randnotiz in meiner beruflichen Laufbahn, die aber für mich persönlich eine wichtige Lehre war. Das Ganze passierte im Juni 2014. Die Fußball-Bezirksliga war in der Schlussphase, der GSV Pleidelsheim hatte noch die Chance auf den Aufstieg. Nach einem der letzten Spiele unterhielt ich mich mit dem damaligen Trainer Thilo Koch über die Personalplanungen für die folgende Saison. Er nannte mir einige Spieler, die den Verein verlassen würden und auch ein paar Neuzugänge, ich notierte fleißig mit. Zuletzt sagte er mir, dass der Verein nicht mehr mit Salvatore Glietti plane, fügte jedoch hinzu: „Aber das schreibst Du bitte nicht, weil wir noch nicht mit ihm gesprochen haben.“ Und genau diesen Zusatz habe ich mir nicht notiert und auch nicht im Hinterkopf gespeichert. Als ich später den Text schrieb und meine Notizen durchging, standen dann eben in meinem Block nur die Stichworte: „planen nicht mehr mit Glietti“. Und so wurde diese Information dann auch gedruckt. Es war nur ein Satz, der da eigentlich nicht hätte stehen sollen. Doch kurze Zeit später sprach mich Thilo Koch darauf an und meinte, dass es nicht gut gewesen sei, dass Salvatore Glietti dies aus der Zeitung erfahren habe.

Witzigerweise konnten sich sowohl Thilo Koch als auch Salvatore Glietti, als ich sie kürzlich nach mehr als sechs Jahren auf diese Geschichte angesprochen habe, nicht mehr genau daran erinnern. „Aber es passiert leider manchmal, dass jemand etwas schreibt, was ich im Vertrauen gesagt habe. Wenn das häufiger vorkommt, führt das letztlich dazu, dass ich nichts mehr erzähle“, sagt Koch. „Denn so etwas kann einen als Trainer ja auch in Erklärungsnot bringen. Daher ist es schon wichtig, dass man solche Ansagen respektiert und sich daran hält.“ Salvatore Glietti erinnert sich noch daran, dass er in seinem zweiten Jahr in Pleidelsheim gerade seine Meisterschule absolvierte. „Dadurch habe ich weniger trainieren können. Im ersten Jahr, als wir fast aufgestiegen sind, habe ich ja eigentlich jedes Spiel gemacht. Dann ging es eben nicht mehr. Daher war es auch nachvollziehbar, dass Pleidelsheim nicht mehr mit mir geplant hat. Aber ich hätte jetzt nicht mehr sagen können, ob ich das in der Zeitung gelesen oder vom Verein gesagt bekommen habe“, erklärt Glietti, der heute beim Club L’Italiano Großbottwar in der Kreisliga B kickt.

Auf jeden Fall ist das Tischtuch zwischen Koch, der aktuell den A-Ligisten FV  Ingersheim trainiert, und Glietti keineswegs zerschnitten. „Wir haben uns seither mehrfach gesehen, erst diesen Sommer ein Testspiel gegeneinander bestritten und überhaupt kein Problem miteinander“, sagt Glietti und fügt hinzu: „Ich sehe das Ganze eh recht gelassen und bin da nicht nachtragend. Wir sind Amateure. Manch einer glaubt ja, dass man in der Bezirks- oder Landesliga schon etwas wäre. Aber man muss die Kirche im Dorf lassen: Richtiger Fußball geht doch erst in der Oberliga los.“

Für mich war es einerseits eine Erleichterung zu hören, dass mein Fehler keine großen Spuren hinterlassen hat – zumindest bei Thilo Koch und Salvatore Glietti. Für mich persönlich hatte diese Geschichte dagegen sehr wohl Konsequenzen: Es ist in unserem Beruf sehr wichtig, dass die Leute, mit denen wir Journalisten zu tun haben, uns ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Dieses Vertrauensverhältnis ist bei manchen stärker ausgeprägt als bei anderen, nicht zuletzt abhängig davon, wie gut und wie lange man sich schon kennt. Der Respekt vor meinen Mitmenschen gebietet es aber, dass ich dieses Vertrauen nicht missbrauche. Konkret heißt das für mich: Wenn jemand zu mir sagt, dass ich etwas nicht schreiben soll, dann lege ich auch den Stift zur Seite und notiere es nicht. Was nicht im Block steht, wird später auch nicht gedruckt. Sehr häufig telefoniere ich ja auch mit den Leuten. Und wer mich gut kennt, der kennt dann auch den Satz: „Moment, ich lege den Stift weg!“ Das ist dann die Zusage, dass alles, was ab diesem Moment gesprochen wird, eben nicht in der Zeitung stehen wird. Diese Grundregel befolge ich seit der Begebenheit im Juni 2014 noch viel mehr als zuvor – und meines Wissens ist mir ein solcher Fehler seither auch nicht mehr passiert.

Zur Person
Lars Laucke arbeitet seit Mai 2012 als Lokalsportredakteur bei der Marbacher Zeitung. Den heute 51-jährigen gebürtigen Berliner zog es 1992 noch vor Beendigung seines Sportstudiums ins Schwabenland, um hier ein Volontariat bei einer Tennis-Fachzeitschrift zu absolvieren, bei der er bis Ende 1997 als Redakteur beschäftigt war. Neben mehreren Stationen in der Sportartikel-Industrie folgten in seinem beruflichen Werdegang auch noch Tätigkeiten als Moderator und Nachrichtensprecher bei insgesamt fünf verschiedenen Radiosendern. Als ehemaligem Tennisspieler und aktuell in seiner Freizeit aktivem Hockeytrainer liegen ihm Individual- und Mannschaftssportarten gleichermaßen am Herzen.