Peter Frömmig ist es wichtig, dass seine Gedicht möglichst vielen Menschen zugänglich sind – das gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder. Foto: Werner Kuhnle

Der Kulturschaffende Peter Frömmig feiert im Juni seinen 75. Geburtstag. Im Interview blickt der Schriftsteller auf den aktuellen Literaturbetrieb und seine Herzensangelegenheit – die Lyrik.

Marbach - Peter Frömmig lebt und wirkt seit 26  Jahren in Marbach. Im Juni feiert der Kulturschaffende seinen 75.  Geburtstag und blickt zurück auf ein facettenreiches Leben als Maler und Schriftsteller. Bekannt dafür, feinsinnig ausformulierte Textbausteine zu bilden, hat der zurückhaltende Dichter aber immer auch etwas zu sagen: Zum Beispiel, was er über den Literaturbetrieb in Deutschland denkt. Wir haben uns einmal mit Peter Frömmig unterhalten.

Herr Frömmig, Sie leben recht zurückgezogen. Und zumindest was Marbach betrifft, ist es ziemlich still um Sie geworden, stimmt das?

Ja, das ist wohl so und hat sich auch vor Corona schon abgezeichnet, was ich aber im Einzelnen nicht nachvollziehen kann. Zurückhaltung in meinem Metier ist eher abträglich. Aber ein Gockel, der andauernd kräht und mit geschwollenem Kamm herumstolziert, das bin ich halt nicht.

Auf der anderen Seite haben Sie zwischenzeitlich einige Preise erhalten. Im Jahr 2018 wurde ein Gedicht von Studenten der Medienkunst an der Bauhaus Universität Weimar für einen Poetry-Film ausgewählt, der bei einem Wettbewerb gewann. Und 2019 erhielten Sie durch die Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik Leipzig den Preis für das beste Gedicht des vorangegangenen Jahrgangs. Ist die aktuelle Zeit vielleicht dennoch keine Zeit mehr für Gedichte?

Tatsache ist wohl: es wird viel mehr Lyrik geschrieben, als gelesen. Und es gibt weniger Leser denn je. Der Schwerpunkt scheint heute auf dem momentanen Eindruck einer Performance zu liegen, was auch die Poetry-Slam-Entwicklung verdeutlicht. Sich ein Gedicht zu erschließen, sich damit zu beschäftigen und sich zu fragen: „Was kann ein Gedicht mir geben?“, das alles liegt weniger im Trend, weil die Aufmerksamkeit der Menschen stark umworben ist. Zahlreiche Einflüsse halten die Interessensspanne ganz knapp.

Wie lebt es sich heutzutage eigentlich als Autor von Gedichtbänden, können Sie davon leben?

Ich bringe ja nicht nur Gedichte mit meiner Arbeit hervor, sondern auch viel Prosa, habe einige Bände mit Erzählungen und eine Novelle veröffentlicht. Doch es stimmt, viele Literaten hängen ständig am Tropf der Literatur-Förderung. Und hierbei werden auch nicht immer die gefördert, die es verdient hätten, sondern die es verstehen, effizienten Rummel um sich zu veranstalten.

Lassen Sie uns noch einmal auf die Gedichte als solche zu sprechen kommen. Stört es Sie denn nicht, dass viele davon für eine gewisse gesellschaftliche Elite geschrieben sind?

Ich schätze das gesamte Spektrum, alles hat seine Geltung. Mein Motto war aber schon immer: Bei allem Anspruch, sollen meine Gedichte für möglichst viele Menschen zugänglich sein. Natürlich auch für Kinder, was etwa meine beiden letzten Gedichtbände „Das Haus in dem die Wörter wohnen“ und „Die Wörter gehen ein und aus“ zeigen, die große wie auch kleine Leser ansprechen. Ich schreibe nicht für Auserwählte. Aber es steht auch fest: Wer vertieften Zugang zur Lyrik haben will, der muss lesen oder an diese herangeführt werden!

Wie lässt sich Ihrer Meinung nach die Liebe zum Gedicht fördern?

Darauf finde ich auch keine Antworten. Aber auf jeden Fall nicht durch Zugeständnisse an ein bestimmtes Publikum. Gedichte sind nun einmal dicht. Mit größtmöglicher Verdichtung der Sprache geschrieben. Da geht es nicht, dass man sie nur kurz überfliegt.

Gehen bei Ihnen die Wörter auch tagtäglich ein und aus?

Ja, ich stehe in einem guten Verhältnis zur Sprache, allerdings mehr schriftlich als mündlich. Und aktuell ist es ein Roman-Projekt, das mich fordert, „Der Nachhall des Gongs“. Das ist als ein Mosaik zu verstehen, in dem auf romanhafte Weise ein Generationen übergreifendes Panorama entsteht. Untrennbar verbinden sich darin erlebtes Leben, Individualgeschichte sowie Zeitgeschichte, reichend von der Mitte des 20. Jahrhunderts, den Vor- und Nachkriegsjahren mit ihren politischen Konsequenzen und Verwerfungen, bis in die Jetztzeit.

Was hat sie dazu inspiriert?

Das war der leider inzwischen verstorbene Christoph Meckel: Er hatte mir geschrieben: „Ihre Prosastücke sind interessant und sehr gut, ich lese sie als den Anfang einer möglichen Autobiografie. Der Stoff ihres Lebens und Daseins, fortgepackt in solchen kleinen und größeren Texten, das ergäbe ein Kompendium einer Lebensprosa und hätte beim Schreiben den Vorteil, dass Sie schreiben können was Sie wollen und wie Sie wollen, ohne Zeitfolge und genaues Registrieren“. Und daran habe ich mich gehalten.

Sie feiern im Juni Ihren 75. Geburtstag. Gibt es Wünsche?

Ja, dass mein Marbach-Buch „Auf langen Wegen in kleiner Stadt. Etappen und Stationen eines Spaziergangs durch Marbach am Neckar“, etwas mehr wahrgenommen wird. Ich habe es mit so viel Sympathie für Marbach geschrieben. Dasselbe wünsche ich mir auch für meinen Gedicht- und Collagenband „Am Leben sein“.

Zur Person
Der Schriftsteller und Maler Peter Frömmig wurde am 11. Juni 1946 in Eilenburg geboren. Er lebt heute  in Marbach und bringt sich dort durch zahlreiche Lesungen und Ausstellungen als  Kulturschaffender  ein. Sein literarisches Metier umfasst vor allem Essays, Erzählungen und Gedichte. 2019 erhielt er den Poesiealbum neu-Preis für das beste Gedicht   2018.  Als Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften hat Frömmig viele Beiträge zu Literatur, Kunst und Zeitgeschichte verfasst. Im Auftrag des SWR begleitete Sabine Willmann für den  Dokumentarfilm „Im Schatten Schillers“   drei Marbacher Schriftsteller drei Jahre lang  auf ihrem Weg durch die Welt der Worte –  darunter   auch Peter Frömmig.   Einblicke in sein   Schaffen  gewährt die Dauerausstellung „Literaturszene Stuttgart-Region“ in der Stadtbibliothek Stuttgart.. Dort ist der Schriftsteller auch Teilnehmer beim Lyrik-Cast.