In vielen Orten gibt es derzeit einen Glasfaserausbau. Zum Vertragsabschluss genötigt soll aber niemand werden. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Für den Ausbau eines schnellen Netzes sind offenbar auch dubiose Mittel recht: In Beilstein etwa hat ein Vertriebsmitarbeiter nur schleppend wichtige Informationen gegeben – und einem skeptischen Bürger beinahe gedroht. Das hatte Folgen.

Der Glasfaserausbau ist etwas, das auch der Beilsteiner Rüdiger Hess durchaus befürwortet. Was ihm dagegen sehr unangenehm aufgefallen ist, ist das Verhalten eines Mitarbeiters der Deutschen Giganetz (DGN). „Ich hatte mich gerade mit einem Nachbarn unterhalten, als ein junger Mann auf uns zukam und fragte, ob wir uns schon für einen Glasfaseranschluss entschlossen hätten. Der sei aktuell noch kostenlos, wenn man sich erst später entscheide, müsse man dafür 2500 Euro zahlen“, berichtet Hess.

Der Skepsis folgt eine Drohkulisse

Als er wissen wollte, welche monatlichen Kosten denn dafür anfallen würden – „es ist schließlich nichts umsonst von einem Wirtschaftsunternehmen“ – bekam er erst nach mehrfacher Nachfrage die vage Antwort, dass der derzeitige Anbieter dafür wohl etwa fünf Euro auf die monatliche Gebühr aufschlagen würde. Am meisten geärgert hat den Rüdiger Hess aber, dass der junge Mann, als das Angebot nicht auf Gegenliebe stieß, eine regelrechte „Drohkulisse“ aufgebaut habe: Wer den Anschluss nicht habe, werde in ein bis zwei Jahren weder Telefon noch Internet haben, weil die derzeitigen Netze von der Telekom abgeschaltet würden.

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Rüdiger Hess weiß, dass das nicht stimmt. Aber damit war die Sache für ihn noch nicht erledigt. „Ich bin zu dem Schluss gekommen: Da muss ich was unternehmen, um andere zu warnen.“ Deshalb wandte er sich an unsere Zeitung und an die Beilsteiner Bürgermeisterin Barbara Schoenfeld. Die hat auch unmittelbar reagiert und nicht nur Rüdiger Hess angerufen, sondern auch dessen Brief an die ihr bekannten Verantwortlichen bei der DGN weitergeleitet, woraufhin prompt eine Entschuldigung folgte.

Das Verhalten entspricht nicht den Ansprüchen des Unternehmens

Der Unternehmenssprecher erklärte gegenüber unserer Zeitung zudem, man habe den betreffenden Mitarbeiter des Vertriebspartners identifiziert. Auftreten und Beratungsqualität entsprächen nicht den Ansprüchen der DGN. Allerdings war das offenbar kein Einzelfall. In der Beilsteiner WhatsApp-Gruppe gibt es mehrere Beschwerden mit ähnlichem Inhalt.

Doch wie sieht es generell mit der Glasfaserversorgung in Beilstein aus? In den meisten Teilorten Beilsteins habe die Telekom den Zuschlag erhalten – im Rahmen von Projekten zur interkommunalen Zusammenarbeit mit Spiegelberg und Aspach, sagt Barbara Schoenfeld. Hier sei der Großteil der Arbeiten erledigt und Anschlüsse seien verlegt worden. Anders sieht es im größten Teil der Kernstadt, in Schmidhausen und in Söhlbach aus. Hierfür ist laut Schoenfeld die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken zuständig. Diese habe aus dem Angebot verschiedener Telekommunikationsunternehmen das der DGN ausgewählt, weil deren Konzept die größte Schnittmenge mit den Zielen der Region aufgewiesen habe.

Auch andere Anbieter sollen das Netz nutzen können

Dazu gehöre unter anderem, dass auch andere Telekommunikationsunternehmen die Glasfaserleitungen zu angemessenen und marktüblichen Endkundenpreisen nutzen können und dass, wo immer es möglich ist, die vorhandene Infrastruktur genutzt werden soll. Der Gemeinderat der Stadt habe 2021 beschlossen, der Kooperationsvereinbarung der Wirtschaftsregion Heilbronn Franken beizutreten. „Ein Vertragsabschluss der Bürgerinnen und Bürger auch mit anderen Telekommunikationsunternehmen ist jederzeit auch bei einem potenziellen Ausbau durch die DGN grundsätzlich möglich“, macht die Bürgermeisterin deutlich.

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Aus dem Gemeinderat war aber auch immer wieder mal Kritik daran zu hören, dass etwa die Beratungsstelle der DGN in dem am Kindergarten Birkenweg aufgestellten Häuschen meistens nicht besetzt gewesen sei und dass man am Telefon je nach Mitarbeiter ganz unterschiedliche Auskünfte bekomme.

Die Beratung ist optimiert worden

Der Unternehmenssprecher räumt ein, dass es einige coronabedingte Ausfälle gegeben habe, dass aber seit diesem Monat im SpeedPoint in der Oberstenfelder Str. 16 erweiterte und verlässliche Beratungszeiten angeboten würden. Auch mit dem Reisebüro Rode stehe ein weiterer lokaler Beratungsansprechpartner bereit. Über das Internet könnten individuelle Beratungstermine vereinbart werden. Und das Serviceteam am Telefon werde regelmäßig geschult.

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Bleibt noch die Frage, was passiert, wenn das Ziel eines Glasfaseranschlusses von 35 Prozent aller Haushalte in Beilstein nicht erreicht wird. Dieses wäre für die Wirtschaftlichkeit notwendig. „Aktuell haben sich 26 Prozent für einen Anschluss entschieden, und wir sind zuversichtlich, dass sich die notwendige Anzahl von Haushalten in den kommenden Wochen für das Projekt entscheidet“, so der Sprecher. Sollte die Quote nicht erreicht werden, werden man sich mit der Gigabitregion und der Kommune über das weitere Vorgehen abstimmen. „Für unsere Kundinnen und Kunden entstehen keine Kosten und Aufwände, falls es nicht zu einem Ausbau kommt, die Verträge würden dann storniert“, betont er.

Das Unternehmen und wer dahinter steckt

Anbieter
Die Deutsche Giganetz wurde nach Unternehmensangaben im Jahr 2019 als GermanCom GmbH von einem Expertenteam aus der Telekommunikation mit dem Schwerpunkt Glasfaser-Breitbandausbau gegründet. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Hamburg. Ziel ist es, mehr als eine Million Privat- und Firmenkunden sowie öffentliche Einrichtungen und Carrier-Kunden mit Fibre to the Home (FTTH)-Diensten, also Glasfaser bis in die Wohnung, zu versorgen. Damit sich das rechnet, müssen mindestens 35 Prozent aller Haushalte in dem betreffenden Gebiet einen Vertrag über einen Glasfaseranschluss abschließen.

Investor
Das Unternehmen wird von InfraRed Capital Partners, einem globalen Investor mit Fokus auf Infrastruktur und Immobilien, finanziert und strategisch begleitet. Laut Homepage legt man Wert auf langfristige, verantwortungsvolle Investments. Derzeit würden mehr als 220 Infrastrukturprojekte in 17 Ländern gemanagt.